Wintertour 2015

Landung in Evenes

Samstag, 14. Februar

Unser heu­ti­ger Weiterflug nach Harstad/​Narvik star­tet gegen 9 Uhr, also rela­tiv früh. Deswegen fällt das Hotelfrühstück recht kurz aus. Jetzt noch schnell aus­ge­checkt, und dann Abmarsch zum Flughafen. Holla, das ist aber mal voll hier! Meine Kollegen und ich ken­nen das ja von Arbeit, daß Samstags die gan­zen Skandinavier nach Österreich oder Norditalien in den Skiurlaub flie­gen. Jetzt ist auch klar, wo die alle her­kom­men. Im Terminal wird so viel Sperrgepäck her­um­ge­schleppt, daß auf den heu­ti­gen Flügen Richtung Süden sicher­lich der ein oder andere Lastensegler hin­ten ans Flugzeug ange­kop­pelt wer­den muß.
Während wir aufs Boarding für unse­ren Flug war­ten, ent­deckt Johannes WhatsApp für sich. Eigentlich bin ich ja kein so gro­ßer Fan davon, wenn meine Kinder in ihrem Alter schon auf sol­che Instant Messaging Apps abfah­ren, aber wenn es mei­nem Sohn hilft, die offen­sicht­lich große Sehnsucht nach sei­ner Mama und sei­ner klei­nen Schwester zu ver­ar­bei­ten – sei’s drum.
Unsere Boeing 737 – 800 von Norwegian, mit der wir gleich ins 1200 Kilometer wei­ter nörd­lich gele­gene Evenes flie­gen, steht bereits am Gate. Auch die Besatzung fin­det sich inzwi­schen ein: dar­un­ter ein ansehn­li­cher Female First Officer um die 30. In der Kabine wer­kelt eben­falls ’ne Schnittencrew. Wieder mal pro­fi­tie­ren wir vom star­ken Rückenwind, was zusam­men mit der idea­len Runway-Konstellation 01L/​35 mit einem neuen Streckenrekord von 1:25 h belohnt wird. Da kann man nicht meckern.
In Harstad/​Narvik ist das Wetter so mit­tel­präch­tig: ‑4°C, ein paar Wolken. Aber das bleibt lei­der nicht so. Wir müs­sen gleich noch ein gan­zes Stück, nach Tromsø, fah­ren. Das liegt 240 Kilometer wei­ter nörd­lich, und bereits nach den ersten zwan­zig beginnt dich­tes Schneetreiben. Die Straße ist kaum zu erken­nen. Es muß der grau-weiße Bereich zwi­schen den Stangen für den Winterdienst sein, aber das ist mehr Ahnung als Gewißheit. Und jedes Mal, wenn Gegenverkehr kommt, haben wir für ein paar Sekunden ‘com­plete IMC’. Das kann ja hei­ter wer­den! Zur Sicherheit hal­ten wir im klei­nen Örtchen Bogen noch mal kurz am Supermarkt, um uns mit Notrationen an Essen aus­zu­stat­ten, falls wir unter­wegs ein­schneien. Sicher ist sicher, und da wir jetzt gut vor­be­rei­tet sind, wird genau die­ses uner­wünschte Ereignis auch nicht ein­tref­fen. Nach etwa einer Stunde wird das Wetter bes­ser, und ab Bardufoss scheint sogar ab und zu die Sonne.
Wir errei­chen die größte Stadt Nordnorwegens zur blauen Stunde. Und wie­der schneit es. Von unse­rer sehr schick ein­ge­rich­te­ten Ferienwohnung hat man im Normalfall eine herr­li­che Aussicht auf den Tromsøysund und den Endanflugsektor des Flughafens, heute blei­ben davon aber nur die ersten 20 Meter nutz­bar, dahin­ter ver­schwimmt alles im dich­ten Schneetreiben. Glücklicherweise kön­nen wir den Tiefgaragen-Stellplatz unse­rer Gastgeberin kosten­los benut­zen, der sich sich im Haus gegen­über befin­det. Wir brin­gen unsere Koffer in die Wohnung und zie­hen uns um, weil wir gleich noch ins Stadtzentrum zum Essen fah­ren wol­len. Ein Anruf von Melanie unter­bricht unsere Abmarschvorbereitungen kurz. Heute ist Valentinstag. Aus die­sem Anlaß habe ich in wei­ser Voraussicht einen gro­ßen Blumenstrauß zu ihren Eltern nach Köln lie­fern las­sen. Und über den hat sie sich offen­sicht­lich sehr gefreut.
Nach einer zwan­zig­mi­nü­ti­gen Autofahrt durchs tief ver­schneite Tromsø errei­chen wir das Stadtzentrum und gehen kur­zer­hand im O’Learys Pub essen: Burger mit Pommes, dazu Fußball im Großformat. Johannes hat die rie­si­gen Flatscreens bereits von wei­tem aus­ge­macht und will kei­nen Schritt mehr wei­ter lau­fen. Und einen geschei­ten Hamburger (damit meine ich nicht den Müll der bei­den gro­ßen deut­schen Braterketten) hat er ja schon sooo lange nicht mehr geges­sen. Mir soll’s recht sein. Das Essen ist lecker und die Bedienung echt auf Zack, nur mit dem Konzept des Trinkgeldes in bar offen­sicht­lich nicht ver­traut. Als wir (per Kreditkarte) bezahlt haben und zum Ausgang wol­len, lasse ich einen ange­mes­sen gro­ßen Geldschein als ‘Tip’ neben der Rechnung lie­gen. Der sorgt zunächst für unsi­chere Blicke. Sollte ich mich da beim Umrechnen ver­tan haben? Dem folgt das Zu-Rate-Ziehen einer Kollegin, kur­zer Blickwechsel zwi­schen bei­den und die durch die Letztere mit­tels Augenrollen for­mu­lierte Aufforderung: „Jetzt nimm schon!”. Schließlich vor­sich­ti­ges Entfernen des cor­pus delicti vom Tisch und ver­stoh­le­nes Einstecken ins Portemonnaie. Während wir, auf Johannes’ Wunsch, am Ausgang noch schnell zwei Plätze für mor­gen reser­vie­ren, kann ich das ganze Prozedere beob­ach­ten. Ein strah­len­des Lächeln unse­rer Kellnerin in unsere Richtung spricht dafür, daß ich mich eben – wenn über­haupt – bei der Kalkulation des Trinkgeldes höch­stens in die für mich ungün­sti­gere Richtung ver­rech­net haben kann. Auf der Rückfahrt in unsere Wohnung wer­den noch erste Lebensmittel für die Reise ein­ge­kauft: Getränke, Frühstückszutaten für die näch­sten zwei Tage, Ballerina-Kekse (der Klassiker auf allen Nordland-Touren) und etwas Obst für das schlechte Gewissen. Wieder in unse­rem Domizil ange­kom­men, schauen wir gemein­sam noch etwas Ski-WM im Fernsehen und gehen gegen 22 Uhr ins Bett. Ich kann jedoch nicht gleich ein­schla­fen und schaue durch die offe­nen Vorhänge nach drau­ßen zum Himmel. Sehe ich da was Grünes? Auf jeder Wintertour die übli­che zwei­felnde Frage: Verpasse ich gerade so rich­tig star­kes Nordlicht? Nun ja, falls mir heute die ein oder andere Aurora borea­lis durch die Lappen geht, ist das auch nicht wei­ter tra­gisch. Wir haben ja mor­gen noch, und da ist die vor­her­ge­sagte Sonnenaktivität sogar noch grö­ßer als heute. Mit die­sem trö­sten­den Gedanken schlafe ich ein.

E6 am Malangenfjord

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