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Undirhliðarvegur bei Grindavik

Montag, 27. September

Gegen halb acht werde ich von gedämpftem Triebwerksdröhnen geweckt. Klar, die morgendliche Rush Hour hat begonnen, und jetzt heben in kurzer Folge eine Handvoll Turboprop-Maschinen ab, mit denen die isländische Hauptstadt und diverse Regionalzentren verbunden werden. Eine halbe Stunde später kehrt wieder Ruhe ein, also noch mal umdrehen und eine Runde weiter dösen. Nach dem Frühstück fahren wir erst einmal los in Richtung Norden, denn wir wollten den letzten Tag für einen Ausflug zur Halbinsel Snæfellsnes nutzen.ALT Micha sitzt am Steuer, und ich beschäftige mich nochmal mit der gestern Abend eingegangenen Wetterwarnung, weil der Wind bereits wieder ordentlich am Auto wackelt. Hmm, wieder mal Sturm mit Windstärke 10 aus Nord­­nord­west. Die Westfjorde und der Nordteil der Halb­insel Snæfellsnes werden am meisten betroffen sein. Das verträgt sich ja gar nicht mit unserem Plan! Also wird dieser kurzerhand geändert und die Halbinsel Reykjanes als Erkundungs­gebiet auserkoren. Insofern vorteilhaft, weil wir uns die lange Anfahrt sparen können, und weil sich in der Nähe der Blauen Lagune eine noch wenig bekannte F-Straße mit typischem Hochland­feeling befindet. Die werden wir als Erstes ausprobieren. Und bereits nach den ersten Kilometern vergißt man, daß wir uns unweit der Haupt­stadt­region befinden, denn hier ist wieder alles schön bunt und felsig. Wir arbeiten uns langsam durch die verschiedenen Ober­­flächen­formen voran, mit einigen kurzen Fotohalten. Längeres Aussteigen ist heute weder angenehm noch ratsam. Der eisige Nordwind läßt einen innerhalb weniger Minuten stark auskühlen und zerrt derart heftig an uns,ALT daß es trotz Bildstabilisator und kurzer Belichtungszeiten schwierig ist, unverwackelte Aufnahmen hinzukriegen. Kurz vor dem Ende der F-Straße stoßen wir auf einen Bautrupp mitten im Nichts. Eine orangefarbene Kabel­­­trommel haben sie dabei, wenn die mal kein Glas­­faser­kabel verlegen. Das interessiert mich doch, und ich frage einen der Arbeiter, was die denn hier verbuddeln. Tatsache: das Leer­­­rohr, durch das später die Daten­­leitungen gezogen werden. Hier, wo kaum ein Handvoll Leute wohnen! Und bei uns daheim kriegt man es nicht mal in den ländlichen Gebieten gebacken, deren Bevölkerungs­zahl die hiesige immer noch um den Faktor Tausend übersteigt. Tja, Island setzt halt andere Prioritäten. Ein paar Meter weiter lädt eine winzige Kirche aus schwarzem Holz inmitten der Vulkanlandschaft zum Fotografieren ein. Wir nutzen die Gelegenheit für eine kleine Snackpause im Auto, bei der wir die weitere Route beraten. Die Regionalverwaltung hat vor einigen Jahren hier ein größeres Tourismusprojekt namens Reykjanes Geopark auf den Weg gebracht. Mittlerweile ist es sogar in den Rang eines UNESCO-Weltnaturerbes aufgestiegen.ALT Alle Achtung! Schauen wir uns die Stationen mal auf der Karte an. Die erste liegt nicht weit von uns entfernt: ein Gebiet mit heißen Quellen und Fumarolen inmitten buntgefleckter Berge. Klingt recht vielversprechend. Also los! Den Beginn dieses Areals markiert ein türkisfarbener Kratersee direkt an der Straße, mit großem Parkplatz und gut ausgeschilderten Wanderwegen. Micha ist von eben noch etwas durchgefroren und bleibt sitzen. Ich steige kurz aus, weil ich zumindest das Gewässer fotografieren will. Hui, der Wind hat Kraft! Ich kann kaum gerade laufen, und ein halbwegs wackelfreies Foto kriege ich nur im Liegend-Anschlag (aufgelegt) hinter einem kleinen Felsen zustande. Und das auch nur bei einer relativ hohen Ausschuß-Rate. Aufgrund der Witterungsbedingungen verzichten wir auf eine längere Wanderung zu den dampfenden Erdlöchern und nehmen die zweite Station in Angriff. Noch beim Landeanflug vor einer Woche hatte uns der Kapitän auf Islands jüngsten Vulkan Fagraddalsfjall hingewiesen, der zu diesem Zeitpunkt sogar durch eine weithin sichtbare Rauchsäule auf seine Aktivität aufmerksam machte. Heute scheint er einen Ruhetag einzulegen,ALT aber am provisorisch eingerichteten großen Parkplatz (natürlich mit Food Truck und Info-Bude) riecht es bereits intensiv nach Schwefel. Alle vom Berg kommenden Besucher sind dick eingepackt und voll vermummt. Da oben scheint es mächtig windig zu sein. Also passen wir unsere Bekleidungsschichten noch einmal an die neue Lage an, stellen eine rucksacktaugliche Auswahl an Fotoequipment zusammen und stiefeln los. Der Wind weht bereits unten im Tal feinen Staub durch die Luft. Objektivwechsel sind demnach weitestgehend tabu, sonst haben wir den Dreck ruck-zuck auf dem Kamerasensor. Je weiter wir auf den benachbarten Berg mit seinem ganz oben befindlichen Aussichtspunkt auf den Fagraddalsfjall steigen, um so beschwerlicher wird der Weg. Der stürmische Wind ist eine Sache, das lose Geröll auf dem steilen Pfad eine andere. Nach etwa 200 Höhenmetern können wir uns kaum noch auf den Beinen halten, ich laufe bereits seit einiger Zeit tief gebückt, um weniger Angriffsfläche zu bieten. Nützt aber kaum etwas. Der Versuch eines Fotos wird schnell abgebrochen, weil ich es nicht schaffe, die Kamera hier oben wenigstens einigermaßen ruhig zu halten,ALT so daß der eingebaute Bildstabilisator nicht den Hauch einer Chance hat. Na gut, steigen wir wieder hinab und wenden uns den beiden bereits abgekühlten Lavaströmen im Tal zu. An manchen Stellen dampfen sie doch noch aus allen möglichen Ritzen, und wenn man da seine Hand hineinhält, wird’s ganz schnell ganz schön warm. Überall findet man bizarre Formen und bunte Muster im Gestein. Als wir beide gut durchgekühlt sind und die Lava aus allen möglichen Perspektiven fotografiert haben, geht’s weiter Richtung Westen. Vorbei an Grindavík, der größten Stadt auf Reykjanes, führt unsere Route zum Heiße-Quellen-Gebiet Gunnuhver. Viele Bilder kriegen wir hier nicht zustande: entweder bläst einen der kalte Wind mit 100 km/h vom Holzsteg, oder man geht einen Schritt weiter, dann verbrüht man sich am 100°C heißen Dampf aus der Quelle daneben. Im westlichen Teil dieses Areals gibt es noch einmal einen Parkplatz, von dem aus man eine bessere Sicht auf das blubbernde Heißwasserloch hat. Aber spektakuläre Fotos kriegen wir auch von hier keine, und sich für lahme Bilder eine Erkältung zuzuziehen lohnt nicht. Wir fahren weiter. Den westlichsten Punkt unserer Tour markieren die felsigen Klippen am Kap Reykjanestá.ALT Wir hoffen auf Papageientaucher, aber die leben alle weiter östlich oder im Norden, in den Westfjorden. Aber die kleine Insel Eldey vor der Küste hat es mir angetan. Ich schraube das „Mammut“ an meine Kamera und versuche, mich an ein Infoschild anlehnend, einen einigermaßen ruhigen Stand hinzukriegen. Keine Chance. Schade, denn das vom Sturm aufgewühlte Meer sieht im nachmittäglichen Gegenlicht top aus. Einen Versuch unternehme ich noch: manueller Fokus auf unendlich, Belichtungszeit 1/2000 Sekunde und Auslöser auf schnelles Dauerfeuer eingestellt. Unter den etwa 50 auf diese Weise entstandenen Blind-Bildern ist zumindest ein brauchbares fürs Fotobuch dabei. Mir reicht es hier für heute: diesen ständigen Wechsel aus schnellem Abkühlen draußen und langsamem Wieder­­au­f­wärmen im Auto, verbunden mit ewigem Ankämpfen gegen den böigen Nordwind habe ich satt und bleibe ab jetzt im warmen Toyota sitzen. Wenn Micha nochmal irgendwo anhalten möchte: gerne, aber ohne mich. Derer Stops legen wir noch zwei ein, einen am Stampár Krater und einen weiteren an der „Brücke zwischen den Kontinenten“.ALT Ich sehe noch, wie Micha „vom Winde verweht“ Richtung Brücke gepeitscht wird und bin froh, heute nicht mehr raus zu müssen. Immerhin bringt er einige spektakulär karge Bilder mit, bei denen ich sofort eine Idee habe, wie man die mit ein klein bißchen Nachbearbeitung auf Mars-Rover-Look trimmen kann. Nach dieser Station auf der Geopark-Route reicht es dann auch dem Herrn Hyna endgültig für heute. Wir fahren anstandshalber noch zu einem nahen Strand mit schönen Sandmustern, aber hier geht für uns rein gar nix mehr. Also zurück nach Reykjavik. Schließlich muß ich noch ein paar Mitbringsel suchen, und Hunger kriegen wir auch. Nach dem unausgewogenen Preis-Leistungsverhältnis des gestrigen Abendessens suchen wir nun eine günstigere Alternative und werden in der Hlemmur Mathöll fündig, einer Markthalle mit vielen kleinen Indoor-Freßbuden. Das Beste: da sich alle Imbisse und Restaurants mehrere zentrale Tischareale teilen, brauchen wir nicht mal im selben Laden zu bestellen und können trotzdem gemeinsam speisen. Ich möchte heute endlich mal wieder richtig fettig Fish ´n Chips essen, die es hier in einer sehr leckeren Variante mit Tempura-Teig gibt. Tanken müssen wir noch, das Auto leerräumen und ein bißchen saubermachen – dann ist Feierabend für heute. Im Hotelzimmer werden nur noch schnell die Taschen gepackt, die letzten Biervorräte gekillt, und dann heißt es relativ früh: „Licht aus, Zapfenstreich!“, denn wir müssen den Toyota morgen früh um 5 Uhr wieder abgeben. Damit endet der letzte Reisetag.

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sieht wie auf dem Mars aus…

Dienstag, 28. September

Das ist das Einzige, was mich immer an Island-Reisen nervt: der frühe Rückflug und das damit verbundene Aufstehen mitten in der Nacht. Aber was will man machen? Wir quälen uns gegen 4 Uhr aus dem Bett. Ich gehe noch schnell zur Rezeption auschecken und bezahlen, danach fahren wir zur Basis unseres Mietwagen-Anbieters in Keflavik. Gefrühstückt wird am Flughafen, aber richtig Hunger hat so früh am Morgen natürlich noch keiner. Nach einem angenehm ruhigen Flug landen wir pünktlich wieder in Frankfurt. Gepäck abholen, Shuttlebus zum Parkhaus – anderthalb Stunden nach der Landung sitzen wir im Auto. Jetzt heißt es, nochmal 450 Kilometer bis Magdeburg zu fahren. Ich bringe Micha nach Hause, weil ich mir von ihm zwei Bautrockner für ein Projekt ausleihen will. Die nehme ich morgen mit nach Kandel. Außerdem können wir heute Abend in aller Ruhe unsere Reisebilder von den verschiedenen Speicherkarten auf eine mobile Festplatte kopieren. Und dabei in Erinnerungen an diese gemeinsame Tour schwelgen. Und zusammen noch ein Bierchen trinken. Und vielleicht Pläne für eine andere Reise schmieden. Schauen wir mal…

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älter Schottland 2020
neuer Island 2022

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