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Jökulsárlon

Samstag, 25. September

Heute morgen gibt’s nur ein karges Frühstück aus Resten, weil zum Einen das Angebot im nahegelegenen Gästehaus zu teuer erschien, und zum Anderen, weil wir Zeit sparen wollen. Die Gletscherlagune Jökulsárlón liegt keine zehn Minuten Autofahrt von uns entfernt und ist unser erstes Ziel für den Tag.ALT Ich habe mal gelesen, daß man, wenn man relativ früh morgens dort eintrifft, die tollen Fotomotive an dieser Sehenswürdigkeit noch nicht mit den Menschenmassen teilen muß, die spätestens ab zehn Uhr mit den Tourbussen aus Reykjavik hier eintreffen. Lassen wir’s auf einen Versuch ankommen. Kurz nach 9 Uhr sind wir da, und tatsächlich haben wir noch eine ganze Weile relativ wenige Mitbewerber ums schönste Foto vom Gletschersee. Relativ darum, weil natürlich auch hier mit dem Bau größerer Parkmöglichkeiten die Kapazität der Attraktion enorm gesteigert werden konnte – und ein halbvoller Parkplatz bedeutet eben im Jahre 2021 immer noch mindestens 200 Konkurrenten „on location“. Die meisten davon bewegen sich gerade irgendwo weiter weg von uns, so daß ich die Gelegenheit gleich für ein paar Panorama-Bilder von der Besucher­plattform aus nutze. Auf diese Weise muß ich hinterher keine störenden Menschen aufwendig aus den Bildern entfernen. Micha stiefelt auf eigene Faust am Ufer herum und hantiert bereits mit der großen Optik für Detailbilder der Eisberge.ALT Als es dann doch merklich voller wird, schwenke auch ich um vom Weitwinkel- zum Telezoom-Objektiv und mache ab jetzt ebenfalls mehr Nahaufnahmen vom Eis oder den Booten auf dem See. Das Licht ist heute aufgrund des komplett bedeckten Himmels nicht wirklich schön zum Fotografieren. Darum verlegen wir beide unseren Arbeitsplatz nach etwas mehr als einer Stunde auf die andere Seite der Ringstraße, an einen als „Diamond Beach“ bekannten schwarzen Sandstrand. Hier treiben die zerbrochenen Eisberge aus der Lagune erst ins Meer und werden etwas später in kleineren Portionen wieder zurück an Land gespült. Direkt in der Brandungszone liegt gerade keiner, also schnappe ich mir einen mittelgroßen Eisbrocken von weiter hinten und lege ihn dort im schwarzen Sand ab, wo er gerade noch so von den Wellen umspült werden sollte. Zehn Minuten später habe ich ein Foto, das meinen Vorstellungen von dieser Location so annähernd entspricht. Micha hat die Kamera gar nicht erst ausgepackt, also können wir ja weiter ziehen. Nächstes Ziel ist der Fjallsárlón,ALT sozusagen der kleine Bruder der berühmten Gletscher­lagune. Hier waren wir auch schon einmal Als wir im Auto noch so überlegen, an welchem der beiden Gletscherseen es uns 2013 fast umgeweht hatte, sehen wir an der Ringstraße bereits die Ausschilderung dorthin. Und wieder erstaunen uns die baulichen Veränderungen im Vergleich zu unserem letzten Urlaub: Überall steht heute mindestens eine Freßbude oder ein Foodtruck, an den attraktiveren Locations wie hier am Fjallsárlón gerne auch die üppig dimensionierte Basisstation eines lokalen Touren­anbieters, oft gleich mit Restaurant und Souvenir­shop nebendran. Soll sich hier mal bloß niemand über Massen­tourismus beschweren! Wir gehen dem Besucherstrom vorsorglich aus dem Weg und suchen uns etwas östlich des Hauptpfades eine abgelegenere Stelle, von wo aus wir eine gute Übersicht über den See und freien Blick auf den Gletscher dahinter haben. Eine halbe Stunde dauert das Fotografieren, dann marschieren wir zurück zum Auto und fahren weiter.ALT Jetzt folgt für etwa 150 Kilometer ein schöner karger, wenngleich etwas weniger fotogener Abschnitt der Ringstraße. Da sich heute der Wind in Grenzen hält, lasse ich wenigstens an der ein oder anderen Stelle mal die Drohne aufsteigen, um ein paar Bilder aus der Vogelperspektive zu machen. Auch das Foto für den Einband des Buches entsteht bei dieser Gelegenheit. Am Rastplatz neben der alten Wikinger­siedlung Dverghamrar vertilgen wir bei unserer Mittags­pause das letzte noch verbliebene Gericht aus den Vorräten vom heimischen Metzger: gefüllte Hähnchen­brust, dazu gibt’s Kartoffeln und Tee. Gut gestärkt wollen wir noch einmal eine Hochlandpiste in Angriff nehmen. Die F206 zur Laki-Spalte ist unser Ziel, aber vorher nehmen wir als Bonus-Fotomotiv die Schlucht Fjaðrárgljúfur mit, die praktischerweise an der Route liegt. Es ist kalt und etwas windig, aber hier darf man mit der Drohne fliegen – mittlerweile auch vielerorts verboten. Auf der Brücke am Ausgang des Canyons hat man einen optimalen Startplatz, und von hier aus auch lange Sichtkontakt zum Fluggerät, so daß man relativ weit in die Schlucht hinein düsen kann. Spart Lauferei und bringt an dieser Location sogar die bestmöglichen Bilder.

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Gigjujökulsá

Da es schon später Nachmittag ist, müssen wir aber irgendwann mal zu Potte kommen und fahren auf die F206 Lakavegur. Am Ende der Asphaltierung warnt ein Schild „impassable“ – was bedeutet, daß man zwar auf eigene Verantwortung erst einmal weiterfahren kann, daß es aber nach menschlichem Ermessen unwahrscheinlich ist, den Endpunkt zu erreichen.ALT In der isländischen Straßenzustands-App wird die Route bereits als „gesperrt“ markiert, aber das werden wir ja gleich selber noch herausfinden. Etwa 15 Kilometer geht alles gut, dann stehen wir vor einer tiefen und etwas unübersichtlichen Furt über die Geirlandsá. Dahinter sieht man auch keine Reifenspuren mehr im dünnen Schnee, also erst mal ein Bild über die Lage verschaffen. Micha tastet sich vorsichtig über die Felsbrocken im Flußbett vorwärts, während ich das Teleobjektiv an die Kamera schraube, um den weiteren Verlauf der bröckeligen Piste im elektronischen Sucher zu verfolgen. Moment mal! Sehe ich da das offizielle Sperrschild auf der anderen Seite der kleinen Senke, in der wir uns befinden? Foto gemacht, reingezoomt – sieht wohl so aus. Micha ist skeptisch: das Schild könnte ja auch an der Seite der Straße stehen und nicht mittendrauf, worauf es dann natürlich keinerlei Relevanz für uns hätte. Um ihn zu überzeugen, daß Umkehr an dieser Stelle vielleicht die klügere Option wäre,ALT fliege ich mit der Drohne direkt vor das Schild, um kurz die Lage zu peilen und vielleicht auch aus größerer Höhe einen Überblick über den Streckenverlauf zu erhalten. Allerdings kann ich die Mavic hier nirgends auf dem Boden starten, und das faltbare Landepad befindet sich in den Tiefen meines Koffers. Ich entscheide mich für eine denkbar ungünstige Basis auf der Motorhaube unseres Autos. Leider wird mir diese Nachlässigkeit zum Verhängnis, als die Drohne zum Ausgangspunkt zurückkehrt, auf dem glatten Blech landen will und dabei zur Seite abrutscht. Weil ich das wertvolle Leihgerät nicht beschädigen will, greife ich aus Reflex zu, als es gerade auf den Boden zu fallen droht. Dummerweise laufen die Rotoren aber noch! Meine kalte Hand wird von ihnen ordentlich malträtiert. Aua! Lange habe ich nicht mehr solche starken Schmerzen erlebt! Mir ist kotzübel, die Pfote buckert und zwiebelt dabei, daß es kaum auszuhalten ist. Micha hat Mitleid mit mir, gibt mir eine Profi-Schmerztablette und setzt sich wieder ans Steuer, dankenswerterweise geht’s Richtung Startpunkt. Eine kurze Analyse der Flugaufnahmen hat uns nämlich gezeigt, daß auf der anderen Flußseite das Gelände ansteigt und mit einer durchgehenden Schneedecke überzogen ist.ALT “Mission impassable!” Als wir die Ringstraße erreichen, hat sich meine Hand wieder beruhigt. Aber einige ordentliche Kratzer sowie zwei große Blutblasen an den Fingerkuppen behalte ich als „Lehrgeld“. Wir passieren nach einer Stunde den schön gelegenen Ort Vík i Myrdal, wo wir tanken und noch einen kleinen Abstecher auf den Felsen Dyrhólae dranhängen. Von hier oben hat man selbst bei dem heutigen Wetter einen tollen Blick über einen wunderschönen Abschnitt der Südküste. Das merke ich mir mal für eine mögliche zukünftige Reise mit meiner Liebsten. Bis zum Hotel Selja, wo wir heute eine Übernachtung gebucht haben, ist es nicht mehr weit. Nach dem Einchecken und der Vorbestellung des Abendessens fahre ich allein nochmal in die nächstgrößere Stadt, um dort AdBlue für unseren Dieselmotor nachzufüllen. Die Anzeige nervt uns schon seit zwei Tagen mit einem immer ernsteren Countdown der verbleibenden Kilometer. Aber was passiert eigentlich danach? Ein Blick ins Handbuch verrät: gar nichts. Die Karre wird schlicht nicht mehr anspringen. Ein möglicher Workaround, einfach bis zur Abgabe in zwei Tagen den Motor durchgehend laufen zu lassen, wird von uns schnell als unpraktikabel verworfen. Zum Dinner es gibt Pizza und Cola, dazu Chips und Bier von der Tankstelle. Der lange Reisetag endet gemütlich in unserem Zimmer.

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Blick von Durholaey Richtung Westen

älter Schottland 2020
neuer Island 2022

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