unser Ferienhaus mit dem bizarren Namen Fögruvallakot, also Vogeltalkacke
Bevor wir die steile These vom Cover dieses Beitrags erklären und in den richtigen Kontext setzen können, müssen wir im Reisebericht noch ein paar Tage warten. Erst einmal ein kurzer Rückblick: Nach der wegen eines plötzlichen Wintereinbruchs etwas anstrengenden Reise vom letzten Jahr wünschten sich sowohl Micha als auch ich eine Wiederholung unter besseren Bedingungen. Einige Touren im Hochland konnten wir aufgrund von gesperrten Straßen und geschlossener Schneedecke nicht fahren, und bei anderen ließ das Wetter doch stark zu wünschen übrig. Mit den diesjährigen Rahmenbedingungen schlagen wir gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Der Reisezeitraum von Ende August bis Anfang September ist für unser Vorhaben perfekt geeignet. Dank der Teilnahme meines Kollegen Christian Lofi als “die Stimme der Vernunft” sollte es weniger Diskussionen zwischen Micha und mir geben, und schließlich reißen die durch drei geteilten Kosten ein deutlich kleineres Loch ins Portemonnaie jedes Einzelnen. Wir können uns obendrein beim Kochen und Autofahren abwechseln, und ich persönlich erhoffe mir von Lofis Teilnahme neue kreative Bilder von bekannten Motiven, die unser späteres Fotobuch sicher bereichern werden.
Sonntag, 28. August
Machen wir uns nix vor: mit dem Alter kommt die Bequemlichkeit. Als Lofi und ich die Wahl hatten, fürs Flugticket nach Keflavik 120€ Aufpreis für einen extra Koffer oder 180€ für je einen extra Koffer, kommode Sitze vorne mit ordentlicher Verpflegung im Flugzeug und Lounge-Zugang an den Startflughäfen haben könnten, fiel uns die Entscheidung nicht sonderlich schwer. Die erste Erleichterung wird bereits beim Checkin in Frankfurt sichtbar. Economy-Warteschlange: 100m lang, Saga-Class: vier Leute vor uns. Zwanzig Minuten nach unserem Eintreffen im Parkhaus sind wir bereits durch die Security durch und suchen unseren Weg zur KLM-Lounge, um vor dem Abflug noch einen kleinen Snack zu essen. Der Mittagsumlauf nach Keflavík wird von Icelandair mit einer recht betagten Boeing 757 – 200 durchgeführt, die sich innen aber in einem top Zustand befindet. Bequeme Sitze mit ordentlich Beinfreiheit und ein erstklassiger Bordservice lassen den ruhigen Flug auf Angenehmste vergehen. Dreieinhalb Stunden später heißt es „Touchdown in BIKF”. In Keflavik treffen wir an der Gepäckabholung auf Micha, der von Berlin kam und wenige Minuten vor uns gelandet ist. Während ich auf das Erscheinen unserer Koffer warte, machen sich mein Kumpel und Herr Lofi gleich einmal auf den Weg in den Duty-Free-Shop, um ein paar hopfenhaltige Kaltgetränke für die ersten Tage zu kaufen.
Nach weiteren dreißig Minuten Warten haben wir unser Geraffel beisammen. Hat doch etwas länger gedauert als gedacht. Der Flughafen arbeitet bereits seit Jahren an der Kapazitätsgrenze, und 2022 wird zu allem Überfluß auch noch großräumig am Haupt-Terminal herumgebaut. Eine Stunde später haben wir unseren Mietwagen übergeben bekommen, wieder ein neuer und auf „Arctic Edition“ aufgepimpter Toyota Landcruiser. Mit Schnorchel und mit 30cm mehr Bodenfreiheit gegenüber der OEM-Version. Das reicht laut meiner eingehenden Vorab-Recherche für drei Viertel der Hochland-Tracks und für alle die, die wir im letzten Jahr verpaßt haben, sowieso. Aber zunächst einmal müssen wir noch Essensvorräte für eine Woche kaufen, was dank einiger 24/7 geöffneter Supermärkte in Reykjavík kein Problem ist. Lediglich die Beschaffung einer Gaskartusche stellt ein kleines Hindernis dar, weil diese Spezialartikel nicht an jeder Tankstelle vorrätig sind.
Und so müssen wir einen Umweg von 60 km fahren, bis wir endlich eine passende kleine Gasflasche erwerben können. Gegen 22 Uhr erreichen wir unser Haus mit dem etwas sperrigen Namen Fögruvallakót. Dieses haben wir nach der guten Erfahrung aus dem letzten Jahr wieder gemietet. Für drei Personen ist es ideal, denn jeder bekommt sein eigenes kleines Zimmer. Großer Vorteil dieser Unterkunft: bis zum Abzweig der “Fjallabak-Autobahn” F225 Landmannaleið sind es nur 20 Minuten Fahrt, und ab da ist man ruck-zuck mitten im südlichen Hochland. Perfekte Lage also, die die kleinen Schwächen der mittlerweile etwas in die Jahre gekommenen Bude mehr als wett macht. Heute abend werden Vorräte eingelagert, das Foto-Equipment klargemacht und die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände im Auto verstaut. Die kleine Bank vor unserem Haus dient als Getränke-Kühlschrank, denn in den nächsten Tagen eignet sich selbst die zu erwartende Höchsttemperatur immer noch ideal zur Lagerung von Bier. Aber das Wichtigste: es soll erst einmal trocken bleiben. Hoffen wir mal…
westlicher Beginn der F210 Fjallabaksleið syðri, Blick Richtung Tindafjallajökull
Montag, 29. August
Oha! Wenn ich durch Sonnenstrahlen geweckt werde, will das was heißen auf Island. Da muß man schnell sein und schon mal ein paar Fotos machen – wer weiß, wie lange das schöne Wetter vorhält. Der Himmelskörper mit Z (auf pfälzisch „Zunn“) hat sich gerade hinter der Hekla, unserem Hausvulkan hervorgearbeitet und strahlt die weite Ebene davor in warmem Licht an. Nach dem ersten kurzen Kameraeinsatz gehe ich zurück in die Küche und bereite das Frühstück vor, während sich die Herren Reisebegleiter, geweckt durch mein Geklapper, aus ihren Zimmern schälen. Heute gibt es Rührei und Toast sowie Michas Island-Spezial-Flatbread mit Schinken und Käse. Nebenbei checke ich kurz den Wetterbericht: Trocken heißt nicht zwangsläufig Sonnenschein. Speziell nicht in unserer Ecke. Wenn wir also etwas Blau am Himmel sehen wollen, müssen wir ein ganzes Stück nach Osten bzw. Südosten ausweichen. Was läge da näher, als auf der F208 von Westen rein ins Hochland zu gondeln? Die Route ist über weite Abschnitte einfach zu fahren, nur im letzten Drittel warten einige Furten auf uns, davon die tiefste kurz vor dem Ende des Tracks. Wir packen unseren Kram zusammen, bringen alles Gerödel ins Auto und machen uns auf den Weg. Kurz hinter dem historischen Kelður-Hof beginnt die unbefestigte Fjallabaksleið sydri,
der nördliche Teil unserer heutigen Route – wie ja der Name bereits andeutet. Und keine zehn Minuten später geht die Landschaft mit einem Schlag in die fürs Hochland typische Mixtur über: ein buntes Gemisch aus verschiedenen Lavaformen, zahllosen Vulkankratern jeglicher Couleur und zwischendurch von geschickter Hand platzierten Moosfeldern mit weiteren pflanzlichen Einsprengseln. Etwas windig ist es heute, da müssen wir bei sämtlichen Objektivwechseln ziemlich aufpassen, sonst haben wir ruck-zuck den scharfkantigen Vulkanstaub auf dem Sensor unserer Kameras. Auf diesem Abschnitt der Strecke passiert motivtechnisch nicht allzu viel. Wir halten dennoch alle Nase lang mal an, aber eher, um die grandiose Szenerie in uns aufzunehmen sowie die herrliche Stille und vor allem den Umstand zu genießen, daß wir endlich wieder hier sein können. Ungefähr nach 30 Kilometern verengt sich das lange Tal, durch das wir bislang gefahren sind, und wir erreichen den westlichen Teil des Fjallabak. Die Strecke steigt nun kontinuierlich an und führt zwischen einigen höheren Bergen hindurch.
Hier hängen dann auch gleich ein paar Wolken rum, und der Wind nimmt nochmals zu. Am See Laufavatn halten wir für einen Drohnenstart an, denn in seiner Mitte ragt eine winzige Felsinsel hervor, die ich gerne genau von oben auf einem Foto hätte. Leider machen die starken Böen meinem Fluggerät ordentlich zu schaffen. Ich bekomme es einfach nicht in die richtige Position, bevor der Akku alle ist. Lofis Mavic Air 2, also eine zu heiß gewaschene Version meiner Drohne, verweigert gar vollends den Start. Wir packen ein und setzen unseren Weg nach Süden fort. Eins der Highlights auf dieser Route wartet nur wenige Kilometer weiter auf uns. Hier muß man ein kleines Stück im Fluß fahren, statt wie sonst nur vom einen zum anderen Ufer. Am Startpunkt dieses Teilstücks steht ein Dacia Duster mit einem leicht überfordert wirkenden älteren spanischen Ehepaar, gekleidet wie zum Bummeln auf der Einkaufsmeile in Barcelona. Ob die wissen, worauf sie sich eingelassen haben? Offensichtlich nicht. Denn kaum haben wir kurz für die obligatorische Gewässer-Inspektion gehalten, klopft es an unser Seitenfenster, und der Opa fragt in passablem Englisch, ob wir ihnen beim Furten behilflich sein könnten.
Machen wir doch gerne! Lofi steigt aus, weil er sowieso diese Passage vom Ufer aus fotografieren wollte und gibt den beiden Herrschaften grundsätzliche Tipps zum richtigen Furten, während Micha und ich langsam in den Fluß fahren, um eine Ideallinie zu finden, die auch mit einem Duster machbar sein sollte. Unsere temporären Reisebegleiter fahren uns vorsichtig hinterher, und nach ein paar hundert Metern ist dieser Abschnitt des Weges geschafft. Beide wirken glücklich und auch ein wenig erleichtert, daß es doch nicht ganz so kompliziert war. Allerdings wartet die nächste Furtengruppe bereits hinter der folgenden Hügelkuppe, und die hat es wirklich in sich. Nicht nur sind die zu überwindenden Flüsse Ljósá und Markarfljót deutlich lebhafter, sondern man muß mit einer Art Inselhopping ihre einzelnen Arme nacheinander überwinden. Hinweise zur bestmöglichen Passage finden wir weder in Schildform am Ufer noch in unserem Tourenbuch. Das Wasser ist zudem schwer zu lesen,
weil neben den Strömungswellen noch der Wind die Oberfläche aufrauht und eine Inspektion des Flußbetts nahezu unmöglich macht. Wir entscheiden uns für einen Blindflug, denn mit unserem Auto sollte das eigentlich kein Problem sein. Und wenn diese Furten so furchtbar gefährlich wären, dann hätte ich da bei meinen Recherchen sicher schon von gelesen. Die Spanier verfolgen vom Rande aus unser Vorankommen, winken aber nach der zweiten Insel ab. Hier ist es für ihren Dacia doch zu tief. Wir schreien noch eine kurze Verabschiedung und beste Wünsche für die weitere Tour zurück zum ersten Ufer, dann durchqueren wir die verbleibenden drei Flußarme und kommen ohne Zwischenfälle auf der anderen Seite der Markarfljót an. Hier hat man überall einen schönen Rundblick. Im Norden erheben sich die bunten Berge von Landmannalaugar, während in der gegenüberliegenden Himmelsrichtung sämtliche Gebirge fast ausschließlich in verschiedenen Grüntönen schimmern. Ein kurzer Erkundungsflug mit der Drohne, und nach zehn Minuten setzen wir unsere Reise fort. Die Strecke windet sich in den Höhenzug namens Alftáskarð hinein. Wir kommen nur langsam voran. Gar bucklig wird die Piste, und auch der Himmel zieht sich allmählich zu.
Nach dem Scheitelpunkt dieses Streckenabschnitts klart es jedoch wieder etwas auf, und wir werden mit einem herrlichen Weitblick in Richtung Myrdalsjökull belohnt. Auch der See Alftávatn macht bei diesem bewölkten Wetter ordentlich was her. An seinem Ufer befindet sich eine relativ große Schutzhütte für Wanderer, von denen wir auch reichlich umherlaufen sehen. Mal kurz recherchiert: Aha, wir haben soeben den Fernwanderweg Laugarvegur gekreuzt, welcher über 52 Kilometer von Þorsmörk nach Landmannalaugar führt. Zwanzig Minuten später und drei Furten weiter südlich stehen wir vor der ersten ernsthaften Flußquerung des heutigen Tages. Die Kaldaklofskvísl erwartet von ihren Gegnern zumindest 50 – 70cm Wattiefe, was mit dem normalen Landcruiser so eben am Limit gewesen wäre. Mit unserer aufgebockten Variante sehen wir uns gut gerüstet, beraten aber dennoch auf einem Felsen mit guter Übersicht die beste Passage.
Micha bringt sich mit Kamera und Teleobjektiv derweil schon auf der einspurigen Fußgängerbrücke etwas weiter flußaufwärts in eine gute Schußposition, denn er will das Furten hier dokumentieren. Wir kommen gut durch das milchig-trübe Wasser, der Untergrund ist zum Glück relativ fest und halbwegs eben, wenn auch etwas felsig. Nur noch schnell unseren rasenden Reporter einsammeln, dann geht es weiter auf eine der von mir sehnlichst erwarteten Routen: die F210 Fjallabaksleið sydri, die in ihrem späteren Verlauf direkt am Fuß des grünen Vulkans Maelifell vorbei führt. Seit unserer letzten Tour habe ich an diesem Berg einen Narren gefressen, weil mich die Bilder davon ungemein begeistert haben. Heute dürfte es mit dem Fotografieren etwas schwierig werden. Die Wolkendecke hat sich auf 6/8 verdichtet, und auch der Wind weht mittlerweile in Sturmstärke. Wir müssen auf dem Weg zum Endpunkt unserer Tagestour den Maelifellssandur durchqueren. Dabei handelt es sich um eine – wie der Name schon andeutet – sandige Ebene,
deren lockerer Bodenbelag ordentlich aufgewirbelt wird und die Sicht ziemlich stark reduziert. Einen richtigen Sandsturm, das hatten wir auf unseren Reisen nach Island auch noch nicht. Bis zum grünen neuen Schicksalsberg sind es etwa dreißig Kilometer zu fahren, und nach zwei Dritteln der Strecke – gerade als wir relativ dicht an der Nordflanke des Myrdalsjökull entlang kommen – schläft der Wind ein. Dafür geraten wir in immer dichteren Nebel. Den grünen Maelifell können wir nicht verfehlen, weil die Route direkt um seine Südseite herum führt, aber ansonsten bekommen wir leider von der Landschaft um uns herum kaum etwas mit. Wir geben uns noch ein paar Kilometer auf der nach Süden führenden Öldufellsleið, in der Hoffnung, daß sich die Waschküche auflösen möge, aber das passiert nicht. Und so drehen wir nach einer Stunde sinnloser Gurkerei an der pittoresken Furt über den Fluß Bláfjallakvísl, die sich unmittelbar oberhalb eines Wasserfalls befindet, wieder um. Am späten Nachmittag sind wir wieder zurück an der Kaldaklofskvísl, wo wir auf die Emstrurleið,
den westlichen Abschnitt der F261 abbiegen. Micha und ich hatten im letzten Herbst versucht, die etwas zu nachlässig abgesperrte Piste von þorsmörk aus in Richtung Osten zu befahren, mußten uns aber auf der Höhe des Berges Einhyrningur der ab dort geschlossenen Schneedecke geschlagen geben. Heute ist damit nicht zu rechnen, denn allein schon wegen des allseits herumwirbelnden Streusandes sollte man eigentlich auf dieser Strecke überall ohne Rutschen durchkommen. Lediglich die einzige Furt auf der Route könnte eventuell gleich ein Hindernis darstellen. Eine Tiefe von mindestens 70cm, starke Strömung, trübes Wasser, felsiger Untergrund und eine tiefe Kuhle in der Flußmitte mahnen zur Vorsicht. Glücklicherweise fahren seit dem letzten Abzweig zwei große SUVs unseres Kalibers direkt vor uns. Bei denen können wir uns jetzt die optimale Querung abgucken. Ein kurzer Moment des Nervenkitzels, dann sind wir durch. Ab jetzt ist entspanntes Fahren angesagt. Die zahlreichen Wanderer, die hier parallel zur Hochlandpiste unterwegs sind, tun mir leid. Die kriegen bestimmt voll die Staublunge heute. Während wir gemächlich gen þorsmörk tuckern, kommt die Sonne hier und da zum Vorschein. Wäre da nicht immer wieder dieser tolle Blick auf die Nordseite des Myrdalsjökull, die Gegend käme mir ein bißchen langweilig vor.
Zu viele Standard-Landschaftskomponenten für meinen Geschmack. Als wir den Markarfljót-Canyon durchqueren, kommt Abwechslung ins Spiel. Hinter der Holzbrücke über das namensgebende Gewässer fällt mir als Beifahrer und Navigator rechts des Weges der Abzweig zur Hungurfit-Strecke auf, einem der spektakulärsten und zugleich anspruchsvollsten Tracks durch ein wirklich zerklüftetes enges Flußtal. Die Einfahrt liegt nur zwei Kilometer entfernt, die würde ich gerne sehen und ein Gefühl dafür bekommen, ob wir das mit unserem Landcruiser eventuell bei der nächsten Reise in Angriff nehmen könnten. Die Begleiter tun mir den Gefallen und steigen kurz vor dem Beginn der Fließwasserpassage an einer erhöhten Stelle aus, um meine Durchfahrt durch das südlichste Stück des Canyons mit der Kamera einzufangen. Sehr launig, diese ersten paar hundert Meter, aber auch nicht viel Platz zum Wenden. Falls man hier mal in die Verlegenheit kommt, möglichem Gegenverkehr ausweichen zu müssen: Gute Nacht! Kurze Zeit später bin ich wieder am Startpunkt angelangt, sacke die Mitfahrer ein, und wir halten am nächstmöglichen großen Parkplatz.
Hier beginnt ein besonders schöner Teil des Laugarvegur, der oberhalb der Kante des Markarfljót-Canyons entlang führt und dementsprechend spektakuläre Aussichten in das Flußtal bietet. Micha möchte die Gelegenheit nutzen, um in Ruhe mal mit daheim zu telefonieren. Obendrein nervt ihn der Wind in dieser Ecke gerade etwas zu sehr. Also schnappen sich Lofi und ich unsere Kameras und laufen vor zur Felskante. Holla, hier geht’s aber steil nach unten! Sofort fällt uns das auf den Färöern zum immateriellen Kulturerbe avancierte Zitat des dänischen Fotografen Mads Peter Iversen ein: „If you fall off the cliff, you probably die.“ Heute jedoch ohne die Relativierung „wahrscheinlich“. Der Wind fegt hier dermaßen heftig durch das Flußtal, daß ein Wasserfall, der eigentlich in die Markarfljót münden sollte, gar nicht unten ankommt, weil das ganze Naß nach oben gepustet wird. So was habe ich auch noch nicht in dieser Dimension gesehen. Gleich mal ein Foto machen. Oha, das geht trotz Bildstabilisator nur im Anschlag „liegend aufgelegt“. Nach zwanzig Minuten bin ich ziemlich durchgefroren, und auch Lofi hat genug Motive eingesammelt. Weiter geht die Reise, und kurze Zeit später erreichen wir vertrautes Terrain,
denn wir haben den letzten Berg vor dem Abstieg Richtung Þorsmörk passiert und beginnen unseren Descent hinunter ins Tröllagjá-Tal. Vor uns liegt nun der Berg Einhyrningur, hier ist ein weiterer Fotohalt fällig. Mittlerweile haben wir Hunger bekommen. Auch ein Blick auf die Uhr sagt uns: Zeit fürs Abendessen. Lunch ist irgendwie komplett ausgefallen, da haben uns eine Handvoll Ballerina-Kekse über die Zeit gerettet. Jetzt etwas Herzhaftes, das wäre gut. Wir rasten an einer Farm unterhalb des Einhornberges, die dankenswerter Weise in ihrem Anbau so eine Art Schutzraum mit fließend Wasser beherbergt. Sonne scheint wieder, also essen wir lieber draußen an der frischen Luft, aber Geschirr können wir hier später abwaschen. Heute gibt’s Rouladen, Kartoffeln und Rotkraut. Das macht gut satt und verleiht Energie für die verbleibende Fahrt. Nur noch ein paar Kilometer Geboller, dann haben wir die unbefestigte Strecke für heute hinter uns. Zwischen unserer Position und der Ringstraße wird schon ordentlich Sand aufgewirbelt, und auch die Wolken nehmen seltsame Formen an, da wird uns wohl bald ein Sturm ins Haus stehen. In der Abenddämmerung erreichen wir wieder unsere Blechhütte, speisen noch eine Kleinigkeit, reinigen sehr gründlich die Kameras und machen es uns anschließend noch mit ein paar lecker Bierchen aus dem Open-Air-Kühlschrank gemütlich. So endet der erste Reisetag.
F261 Emstrurleið, Blick nach Þorsmörk und zum Myrdalsjökull