Island 2022

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unser Ferienhaus mit dem bizar­ren Namen Fögruvallakot, also Vogeltalkacke

Bevor wir die steile These vom Cover die­ses Beitrags erklä­ren und in den rich­ti­gen Kontext set­zen kön­nen, müs­sen wir im Reisebericht noch ein paar Tage war­ten. Erst ein­mal ein kur­zer Rückblick: Nach der wegen eines plötz­li­chen Wintereinbruchs etwas anstren­gen­den Reise vom letz­ten Jahr wünsch­ten sich sowohl Micha als auch ich eine Wiederholung unter bes­se­ren Bedingungen. Einige Touren im Hochland konn­ten wir auf­grund von gesperr­ten Straßen und geschlos­se­ner Schneedecke nicht fah­ren, und bei ande­ren ließ das Wetter doch stark zu wün­schen übrig. Mit den dies­jäh­ri­gen Rahmenbedingungen schla­gen wir gleich meh­rere Fliegen mit einer Klappe. Der Reisezeitraum von Ende August bis Anfang September ist für unser Vorhaben per­fekt geeig­net. Dank der Teilnahme mei­nes Kollegen Christian Lofi als “die Stimme der Vernunft” sollte es weni­ger Diskussionen zwi­schen Micha und mir geben, und schließ­lich rei­ßen die durch drei geteil­ten Kosten ein deut­lich klei­ne­res Loch ins Portemonnaie jedes Einzelnen. Wir kön­nen uns oben­drein beim Kochen und Autofahren abwech­seln, und ich per­sön­lich erhoffe mir von Lofis Teilnahme neue krea­tive Bilder von bekann­ten Motiven, die unser spä­te­res Fotobuch sicher berei­chern werden.

Sonntag, 28. August

Machen wir uns nix vor: mit dem Alter kommt die Bequemlichkeit. Als Lofi und ich die Wahl hat­ten, fürs Flugticket nach Keflavik 120€ Aufpreis für einen extra Koffer oder 180€ für je einen extra Koffer, kom­mode Sitze vorne mit ordent­li­cher Verpflegung im Flugzeug und Lounge-Zugang an den Startflughäfen haben könn­ten,ALT fiel uns die Entscheidung nicht son­der­lich schwer. Die erste Erleichterung wird bereits beim Checkin in Frankfurt sicht­bar. Economy-Warteschlange: 100m lang, Saga-Class: vier Leute vor uns. Zwanzig Minuten nach unse­rem Eintreffen im Parkhaus sind wir bereits durch die Security durch und suchen unse­ren Weg zur KLM-Lounge, um vor dem Abflug noch einen klei­nen Snack zu essen. Der Mittagsumlauf nach Keflavík wird von Icelandair mit einer recht betag­ten Boeing 757 – 200 durch­ge­führt, die sich innen aber in einem top Zustand befin­det. Bequeme Sitze mit ordent­lich Beinfreiheit und ein erst­klas­si­ger Bordservice las­sen den ruhi­gen Flug auf Angenehmste ver­ge­hen. Dreieinhalb Stunden spä­ter heißt es „Touchdown in BIKF”. In Keflavik tref­fen wir an der Gepäckabholung auf Micha, der von Berlin kam und wenige Minuten vor uns gelan­det ist. Während ich auf das Erscheinen unse­rer Koffer warte, machen sich mein Kumpel und Herr Lofi gleich ein­mal auf den Weg in den Duty-Free-Shop, um ein paar hop­fen­hal­tige Kaltgetränke für die ersten Tage zu kau­fen.ALT Nach wei­te­ren drei­ßig Minuten Warten haben wir unser Geraffel bei­sam­men. Hat doch etwas län­ger gedau­ert als gedacht. Der Flughafen arbei­tet bereits seit Jahren an der Kapazitätsgrenze, und 2022 wird zu allem Überfluß auch noch groß­räu­mig am Haupt-Terminal her­um­ge­baut. Eine Stunde spä­ter haben wir unse­ren Mietwagen über­ge­ben bekom­men, wie­der ein neuer und auf „Arctic Edition“ auf­ge­pimp­ter Toyota Landcruiser. Mit Schnorchel und mit 30cm mehr Bodenfreiheit gegen­über der OEM-Version. Das reicht laut mei­ner ein­ge­hen­den Vorab-Recherche für drei Viertel der Hochland-Tracks und für alle die, die wir im letz­ten Jahr ver­paßt haben, sowieso. Aber zunächst ein­mal müs­sen wir noch Essensvorräte für eine Woche kau­fen, was dank eini­ger 24/​7 geöff­ne­ter Supermärkte in Reykjavík kein Problem ist. Lediglich die Beschaffung einer Gaskartusche stellt ein klei­nes Hindernis dar, weil diese Spezialartikel nicht an jeder Tankstelle vor­rä­tig sind.ALT Und so müs­sen wir einen Umweg von 60 km fah­ren, bis wir end­lich eine pas­sende kleine Gasflasche erwer­ben kön­nen. Gegen 22 Uhr errei­chen wir unser Haus mit dem etwas sper­ri­gen Namen Fögruvallakót. Dieses haben wir nach der guten Erfahrung aus dem letz­ten Jahr wie­der gemie­tet. Für drei Personen ist es ideal, denn jeder bekommt sein eige­nes klei­nes Zimmer. Großer Vorteil die­ser Unterkunft: bis zum Abzweig der “Fjallabak-Autobahn” F225 Landmannaleið sind es nur 20 Minuten Fahrt, und ab da ist man ruck-zuck mit­ten im süd­li­chen Hochland. Perfekte Lage also, die die klei­nen Schwächen der mitt­ler­weile etwas in die Jahre gekom­me­nen Bude mehr als wett macht. Heute abend wer­den Vorräte ein­ge­la­gert, das Foto-Equipment klar­ge­macht und die wich­tig­sten Ausrüstungsgegenstände im Auto ver­staut. Die kleine Bank vor unse­rem Haus dient als Getränke-Kühlschrank, denn in den näch­sten Tagen eig­net sich selbst die zu erwar­tende Höchsttemperatur immer noch ideal zur Lagerung von Bier. Aber das Wichtigste: es soll erst ein­mal trocken blei­ben. Hoffen wir mal…

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west­li­cher Beginn der F210 Fjallabaksleið syðri, Blick Richtung Tindafjallajökull

Montag, 29. August

Oha! Wenn ich durch Sonnenstrahlen geweckt werde, will das was hei­ßen auf Island. Da muß man schnell sein und schon mal ein paar Fotos machen – wer weiß, wie lange das schöne Wetter vor­hält. Der Himmelskörper mit Z (auf pfäl­zisch „Zunn“) hat sich gerade hin­ter der Hekla,ALT unse­rem Hausvulkan her­vor­ge­ar­bei­tet und strahlt die weite Ebene davor in war­mem Licht an. Nach dem ersten kur­zen Kameraeinsatz gehe ich zurück in die Küche und bereite das Frühstück vor, wäh­rend sich die Herren Reisebegleiter, geweckt durch mein Geklapper, aus ihren Zimmern schä­len. Heute gibt es Rührei und Toast sowie Michas Island-Spezial-Flatbread mit Schinken und Käse. Nebenbei checke ich kurz den Wetterbericht: Trocken heißt nicht zwangs­läu­fig Sonnenschein. Speziell nicht in unse­rer Ecke. Wenn wir also etwas Blau am Himmel sehen wol­len, müs­sen wir ein gan­zes Stück nach Osten bzw. Südosten aus­wei­chen. Was läge da näher, als auf der F208 von Westen rein ins Hochland zu gon­deln? Die Route ist über weite Abschnitte ein­fach zu fah­ren, nur im letz­ten Drittel war­ten einige Furten auf uns, davon die tief­ste kurz vor dem Ende des Tracks. Wir packen unse­ren Kram zusam­men, brin­gen alles Gerödel ins Auto und machen uns auf den Weg. Kurz hin­ter dem histo­ri­schen Kelður-Hof beginnt die unbe­fe­stigte Fjallabaksleið sydri,ALT der nörd­li­che Teil unse­rer heu­ti­gen Route – wie ja der Name bereits andeu­tet. Und keine zehn Minuten spä­ter geht die Landschaft mit einem Schlag in die fürs Hochland typi­sche Mixtur über: ein bun­tes Gemisch aus ver­schie­de­nen Lavaformen, zahl­lo­sen Vulkankratern jeg­li­cher Couleur und zwi­schen­durch von geschick­ter Hand plat­zier­ten Moosfeldern mit wei­te­ren pflanz­li­chen Einsprengseln. Etwas win­dig ist es heute, da müs­sen wir bei sämt­li­chen Objektivwechseln ziem­lich auf­pas­sen, sonst haben wir ruck-zuck den scharf­kan­ti­gen Vulkanstaub auf dem Sensor unse­rer Kameras. Auf die­sem Abschnitt der Strecke pas­siert motiv­tech­nisch nicht allzu viel. Wir hal­ten den­noch alle Nase lang mal an, aber eher, um die gran­diose Szenerie in uns auf­zu­neh­men sowie die herr­li­che Stille und vor allem den Umstand zu genie­ßen, daß wir end­lich wie­der hier sein kön­nen. Ungefähr nach 30 Kilometern ver­engt sich das lange Tal, durch das wir bis­lang gefah­ren sind, und wir errei­chen den west­li­chen Teil des Fjallabak. Die Strecke steigt nun kon­ti­nu­ier­lich an und führt zwi­schen eini­gen höhe­ren Bergen hin­durch.ALT Hier hän­gen dann auch gleich ein paar Wolken rum, und der Wind nimmt noch­mals zu. Am See Laufavatn hal­ten wir für einen Drohnenstart an, denn in sei­ner Mitte ragt eine win­zige Felsinsel her­vor, die ich gerne genau von oben auf einem Foto hätte. Leider machen die star­ken Böen mei­nem Fluggerät ordent­lich zu schaf­fen. Ich bekomme es ein­fach nicht in die rich­tige Position, bevor der Akku alle ist. Lofis Mavic Air 2, also eine zu heiß gewa­schene Version mei­ner Drohne, ver­wei­gert gar voll­ends den Start. Wir packen ein und set­zen unse­ren Weg nach Süden fort. Eins der Highlights auf die­ser Route war­tet nur wenige Kilometer wei­ter auf uns. Hier muß man ein klei­nes Stück im Fluß fah­ren, statt wie sonst nur vom einen zum ande­ren Ufer. Am Startpunkt die­ses Teilstücks steht ein Dacia Duster mit einem leicht über­for­dert wir­ken­den älte­ren spa­ni­schen Ehepaar, geklei­det wie zum Bummeln auf der Einkaufsmeile in Barcelona. Ob die wis­sen, wor­auf sie sich ein­ge­las­sen haben? Offensichtlich nicht. Denn kaum haben wir kurz für die obli­ga­to­ri­sche Gewässer-Inspektion gehal­ten, klopft es an unser Seitenfenster, und der Opa fragt in pas­sa­blem Englisch, ob wir ihnen beim Furten behilf­lich sein könn­ten.ALT Machen wir doch gerne! Lofi steigt aus, weil er sowieso diese Passage vom Ufer aus foto­gra­fie­ren wollte und gibt den bei­den Herrschaften grund­sätz­li­che Tipps zum rich­ti­gen Furten, wäh­rend Micha und ich lang­sam in den Fluß fah­ren, um eine Ideallinie zu fin­den, die auch mit einem Duster mach­bar sein sollte. Unsere tem­po­rä­ren Reisebegleiter fah­ren uns vor­sich­tig hin­ter­her, und nach ein paar hun­dert Metern ist die­ser Abschnitt des Weges geschafft. Beide wir­ken glück­lich und auch ein wenig erleich­tert, daß es doch nicht ganz so kom­pli­ziert war. Allerdings war­tet die näch­ste Furtengruppe bereits hin­ter der fol­gen­den Hügelkuppe, und die hat es wirk­lich in sich. Nicht nur sind die zu über­win­den­den Flüsse Ljósá und Markarfljót deut­lich leb­haf­ter, son­dern man muß mit einer Art Inselhopping ihre ein­zel­nen Arme nach­ein­an­der über­win­den. Hinweise zur best­mög­li­chen Passage fin­den wir weder in Schildform am Ufer noch in unse­rem Tourenbuch. Das Wasser ist zudem schwer zu lesen,ALT weil neben den Strömungswellen noch der Wind die Oberfläche auf­rauht und eine Inspektion des Flußbetts nahezu unmög­lich macht. Wir ent­schei­den uns für einen Blindflug, denn mit unse­rem Auto sollte das eigent­lich kein Problem sein. Und wenn diese Furten so furcht­bar gefähr­lich wären, dann hätte ich da bei mei­nen Recherchen sicher schon von gele­sen. Die Spanier ver­fol­gen vom Rande aus unser Vorankommen, win­ken aber nach der zwei­ten Insel ab. Hier ist es für ihren Dacia doch zu tief. Wir schreien noch eine kurze Verabschiedung und beste Wünsche für die wei­tere Tour zurück zum ersten Ufer, dann durch­que­ren wir die ver­blei­ben­den drei Flußarme und kom­men ohne Zwischenfälle auf der ande­ren Seite der Markarfljót an. Hier hat man über­all einen schö­nen Rundblick. Im Norden erhe­ben sich die bun­ten Berge von Landmannalaugar, wäh­rend in der gegen­über­lie­gen­den Himmelsrichtung sämt­li­che Gebirge fast aus­schließ­lich in ver­schie­de­nen Grüntönen schim­mern. Ein kur­zer Erkundungsflug mit der Drohne, und nach zehn Minuten set­zen wir unsere Reise fort. Die Strecke win­det sich in den Höhenzug namens Alftáskarð hin­ein. Wir kom­men nur lang­sam voran. Gar buck­lig wird die Piste, und auch der Himmel zieht sich all­mäh­lich zu.ALT Nach dem Scheitelpunkt die­ses Streckenabschnitts klart es jedoch wie­der etwas auf, und wir wer­den mit einem herr­li­chen Weitblick in Richtung Myrdalsjökull belohnt. Auch der See Alftávatn macht bei die­sem bewölk­ten Wetter ordent­lich was her. An sei­nem Ufer befin­det sich eine rela­tiv große Schutzhütte für Wanderer, von denen wir auch reich­lich umher­lau­fen sehen. Mal kurz recher­chiert: Aha, wir haben soeben den Fernwanderweg Laugarvegur gekreuzt, wel­cher über 52 Kilometer von Þorsmörk nach Landmannalaugar führt. Zwanzig Minuten spä­ter und drei Furten wei­ter süd­lich ste­hen wir vor der ersten ernst­haf­ten Flußquerung des heu­ti­gen Tages. Die Kaldaklofskvísl erwar­tet von ihren Gegnern zumin­dest 50 – 70cm Wattiefe, was mit dem nor­ma­len Landcruiser so eben am Limit gewe­sen wäre. Mit unse­rer auf­ge­bock­ten Variante sehen wir uns gut gerü­stet, bera­ten aber den­noch auf einem Felsen mit guter Übersicht die beste Passage.ALT Micha bringt sich mit Kamera und Teleobjektiv der­weil schon auf der ein­spu­ri­gen Fußgängerbrücke etwas wei­ter fluß­auf­wärts in eine gute Schußposition, denn er will das Furten hier doku­men­tie­ren. Wir kom­men gut durch das mil­chig-trübe Wasser, der Untergrund ist zum Glück rela­tiv fest und halb­wegs eben, wenn auch etwas fel­sig. Nur noch schnell unse­ren rasen­den Reporter ein­sam­meln, dann geht es wei­ter auf eine der von mir sehn­lichst erwar­te­ten Routen: die F210 Fjallabaksleið sydri, die in ihrem spä­te­ren Verlauf direkt am Fuß des grü­nen Vulkans Maelifell vor­bei führt. Seit unse­rer letz­ten Tour habe ich an die­sem Berg einen Narren gefres­sen, weil mich die Bilder davon unge­mein begei­stert haben. Heute dürfte es mit dem Fotografieren etwas schwie­rig wer­den. Die Wolkendecke hat sich auf 6/​8 ver­dich­tet, und auch der Wind weht mitt­ler­weile in Sturmstärke. Wir müs­sen auf dem Weg zum Endpunkt unse­rer Tagestour den Maelifellssandur durch­que­ren. Dabei han­delt es sich um eine – wie der Name schon andeu­tet – san­dige Ebene,ALT deren locke­rer Bodenbelag ordent­lich auf­ge­wir­belt wird und die Sicht ziem­lich stark redu­ziert. Einen rich­ti­gen Sandsturm, das hat­ten wir auf unse­ren Reisen nach Island auch noch nicht. Bis zum grü­nen neuen Schicksalsberg sind es etwa drei­ßig Kilometer zu fah­ren, und nach zwei Dritteln der Strecke – gerade als wir rela­tiv dicht an der Nordflanke des Myrdalsjökull ent­lang kom­men – schläft der Wind ein. Dafür gera­ten wir in immer dich­te­ren Nebel. Den grü­nen Maelifell kön­nen wir nicht ver­feh­len, weil die Route direkt um seine Südseite herum führt, aber anson­sten bekom­men wir lei­der von der Landschaft um uns herum kaum etwas mit. Wir geben uns noch ein paar Kilometer auf der nach Süden füh­ren­den Öldufellsleið, in der Hoffnung, daß sich die Waschküche auf­lö­sen möge, aber das pas­siert nicht. Und so dre­hen wir nach einer Stunde sinn­lo­ser Gurkerei an der pit­to­res­ken Furt über den Fluß Bláfjallakvísl, die sich unmit­tel­bar ober­halb eines Wasserfalls befin­det, wie­der um. Am spä­ten Nachmittag sind wir wie­der zurück an der Kaldaklofskvísl, wo wir auf die Emstrurleið,ALT den west­li­chen Abschnitt der F261 abbie­gen. Micha und ich hat­ten im letz­ten Herbst ver­sucht, die etwas zu nach­läs­sig abge­sperrte Piste von þorsmörk aus in Richtung Osten zu befah­ren, muß­ten uns aber auf der Höhe des Berges Einhyrningur der ab dort geschlos­se­nen Schneedecke geschla­gen geben. Heute ist damit nicht zu rech­nen, denn allein schon wegen des all­seits her­um­wir­beln­den Streusandes sollte man eigent­lich auf die­ser Strecke über­all ohne Rutschen durch­kom­men. Lediglich die ein­zige Furt auf der Route könnte even­tu­ell gleich ein Hindernis dar­stel­len. Eine Tiefe von min­de­stens 70cm, starke Strömung, trü­bes Wasser, fel­si­ger Untergrund und eine tiefe Kuhle in der Flußmitte mah­nen zur Vorsicht. Glücklicherweise fah­ren seit dem letz­ten Abzweig zwei große SUVs unse­res Kalibers direkt vor uns. Bei denen kön­nen wir uns jetzt die opti­male Querung abgucken. Ein kur­zer Moment des Nervenkitzels, dann sind wir durch. Ab jetzt ist ent­spann­tes Fahren ange­sagt. Die zahl­rei­chen Wanderer, die hier par­al­lel zur Hochlandpiste unter­wegs sind, tun mir leid. Die krie­gen bestimmt voll die Staublunge heute. Während wir gemäch­lich gen þorsmörk tuckern, kommt die Sonne hier und da zum Vorschein. Wäre da nicht immer wie­der die­ser tolle Blick auf die Nordseite des Myrdalsjökull, die Gegend käme mir ein biß­chen lang­wei­lig vor.ALT Zu viele Standard-Landschaftskomponenten für mei­nen Geschmack. Als wir den Markarfljót-Canyon durch­que­ren, kommt Abwechslung ins Spiel. Hinter der Holzbrücke über das namens­ge­bende Gewässer fällt mir als Beifahrer und Navigator rechts des Weges der Abzweig zur Hungurfit-Strecke auf, einem der spek­ta­ku­lär­sten und zugleich anspruchs­voll­sten Tracks durch ein wirk­lich zer­klüf­te­tes enges Flußtal. Die Einfahrt liegt nur zwei Kilometer ent­fernt, die würde ich gerne sehen und ein Gefühl dafür bekom­men, ob wir das mit unse­rem Landcruiser even­tu­ell bei der näch­sten Reise in Angriff neh­men könn­ten. Die Begleiter tun mir den Gefallen und stei­gen kurz vor dem Beginn der Fließwasserpassage an einer erhöh­ten Stelle aus, um meine Durchfahrt durch das süd­lich­ste Stück des Canyons mit der Kamera ein­zu­fan­gen. Sehr lau­nig, diese ersten paar hun­dert Meter, aber auch nicht viel Platz zum Wenden. Falls man hier mal in die Verlegenheit kommt, mög­li­chem Gegenverkehr aus­wei­chen zu müs­sen: Gute Nacht! Kurze Zeit spä­ter bin ich wie­der am Startpunkt ange­langt, sacke die Mitfahrer ein, und wir hal­ten am nächst­mög­li­chen gro­ßen Parkplatz.ALT Hier beginnt ein beson­ders schö­ner Teil des Laugarvegur, der ober­halb der Kante des Markarfljót-Canyons ent­lang führt und dem­entspre­chend spek­ta­ku­läre Aussichten in das Flußtal bie­tet. Micha möchte die Gelegenheit nut­zen, um in Ruhe mal mit daheim zu tele­fo­nie­ren. Obendrein nervt ihn der Wind in die­ser Ecke gerade etwas zu sehr. Also schnap­pen sich Lofi und ich unsere Kameras und lau­fen vor zur Felskante. Holla, hier geht’s aber steil nach unten! Sofort fällt uns das auf den Färöern zum imma­te­ri­el­len Kulturerbe avan­cierte Zitat des däni­schen Fotografen Mads Peter Iversen ein: „If you fall off the cliff, you pro­ba­bly die.“ Heute jedoch ohne die Relativierung „wahr­schein­lich“. Der Wind fegt hier der­ma­ßen hef­tig durch das Flußtal, daß ein Wasserfall, der eigent­lich in die Markarfljót mün­den sollte, gar nicht unten ankommt, weil das ganze Naß nach oben gepu­stet wird. So was habe ich auch noch nicht in die­ser Dimension gese­hen. Gleich mal ein Foto machen. Oha, das geht trotz Bildstabilisator nur im Anschlag „lie­gend auf­ge­legt“. Nach zwan­zig Minuten bin ich ziem­lich durch­ge­fro­ren, und auch Lofi hat genug Motive ein­ge­sam­melt. Weiter geht die Reise, und kurze Zeit spä­ter errei­chen wir ver­trau­tes Terrain,ALT denn wir haben den letz­ten Berg vor dem Abstieg Richtung Þorsmörk pas­siert und begin­nen unse­ren Descent hin­un­ter ins Tröllagjá-Tal. Vor uns liegt nun der Berg Einhyrningur, hier ist ein wei­te­rer Fotohalt fäl­lig. Mittlerweile haben wir Hunger bekom­men. Auch ein Blick auf die Uhr sagt uns: Zeit fürs Abendessen. Lunch ist irgend­wie kom­plett aus­ge­fal­len, da haben uns eine Handvoll Ballerina-Kekse über die Zeit geret­tet. Jetzt etwas Herzhaftes, das wäre gut. Wir rasten an einer Farm unter­halb des Einhornberges, die dan­kens­wer­ter Weise in ihrem Anbau so eine Art Schutzraum mit flie­ßend Wasser beher­bergt. Sonne scheint wie­der, also essen wir lie­ber drau­ßen an der fri­schen Luft, aber Geschirr kön­nen wir hier spä­ter abwa­schen. Heute gibt’s Rouladen, Kartoffeln und Rotkraut. Das macht gut satt und ver­leiht Energie für die ver­blei­bende Fahrt. Nur noch ein paar Kilometer Geboller, dann haben wir die unbe­fe­stigte Strecke für heute hin­ter uns. Zwischen unse­rer Position und der Ringstraße wird schon ordent­lich Sand auf­ge­wir­belt, und auch die Wolken neh­men selt­same Formen an, da wird uns wohl bald ein Sturm ins Haus ste­hen. In der Abenddämmerung errei­chen wir wie­der unsere Blechhütte, spei­sen noch eine Kleinigkeit, rei­ni­gen sehr gründ­lich die Kameras und machen es uns anschlie­ßend noch mit ein paar lecker Bierchen aus dem Open-Air-Kühlschrank gemüt­lich. So endet der erste Reisetag.

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F261 Emstrurleið, Blick nach Þorsmörk und zum Myrdalsjökull

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