
Tal der Markarfljot, Blick Richtung Þorsmörk
Sonntag, 26. September
Weil das gestern nur so semi-gut gelaufen ist, schlage ich Micha noch einmal einen kleinen Ausflug ins hier recht nahegelegene und normalerweise gut zugängliche Hochland vor. Nahe unserer Unterkunft beginnt die F261 Emstruleið, wieder mal eine blaue Piste, deren frühere Furten über die Markarfljot mittlerweile komplett verrohrt worden sind. Hier wollen wir ein Stück ins Landesinnere hinein fahren. Mal sehen, wie weit wir kommen. Ein erster Dämpfer am Beginn des unbefestigten Teils der Straße: „Lokað“ schreit uns das Schild an, das – wie Micha aber sofort spitzfindig bemerkt – nicht wirklich die gesamte Straße versperrt und folglich nur als Empfehlung zu betrachten ist. Weil ich nun nicht immer alles gleich abblocken kann, was auch nur entfernt nach rechtlicher Grauzone riecht, lasse ich meinen Kumpel gewähren und halte meine Klappe. Wie auf Bestellung kommt uns unmittelbar hinter dem „Impassable“-Schild aus dem Hochland ein geländegängiger LKW mit Wohnaufbau entgegen. Der isländische Fahrer ist relativ wortkarg und bestätigt uns lediglich, daß er einige Kilometer weiter umgedreht hätte. Nun ja, das war wenig hilfreich… Kurze Zeit später passieren wir am Straßenrand jene Monster-Maschinen, mit denen augenscheinlich im Frühjahr die gesamte Strecke wieder auf Vordermann gebracht wird. Eine fast noch normal große Planierraupe, daneben die Hulk-Version derselben, dazu ein Grader und zwei (!) Tanklaster.
Na, damit sollte es wohl möglich sein, bei Bedarf innerhalb kürzester Zeit das gesamte Hochland einzuebnen. Micha klettert für ein paar Erinnerungsbilder auf die Gerätschaften drauf, und ich spiele den Fotografen. Bevor wir weiterfahren können, streift noch eine herrenlose kleine Herde von Islandpferden auf der Straße an uns vorbei. Die warten wir noch ab, dann geht’s wieder voran. Die Landschaft wird bunter, auch der Himmel zeigt ein wenig blaue Farbe. Drohne raus und ein paar Panoramen geschossen. Echt tolle Gegend hier. Ich bin froh, daß wir weiter gefahren sind, denn die Ausbeute an Luftaufnahmen war bislang eher mau. Kurz darauf kommt uns ein Pickup mit Anhänger entgegen, also sind wir hier wohl nicht ganz die Einzigen heute. Ein paar Kilometer weiter stehen wir am Fuße des Berges Einhyrningur. Hier befindet sich auch die Farm, von der der Jeep eben gerade kam. Dahinter existieren keine Reifenspuren mehr, und weiter oben am Berg liegt wieder Schnee. Mal schauen, was geht. Ein ordentlicher Anstieg, dann kommt ein etwas flacherer Abschnitt, aber die Strecke gewinnt kontinuierlich an Höhe. Wir stehen mittlerweile auf der Rückseite des Einhornberges, als uns immer größere und tiefere Schneefelder auf der schlammigen Piste zum Umkehren zwingen. Eine kurze Patrouille mit der Drohne bestätigt die Unpassierbarkeit der Straße. Zwei Fotos vom Berg aus der Vogelperspektive müssen noch sein, dann geht’s zurück auf Los.
Einhyrningur
Zeit haben wir noch reichlich, und auf der anderen Seite des Markarfljot-Tals wartet noch eine bekannte Strecke, nämlich die F249 nach þorsmörk ihrer Erkundung. Laut Tourenguide eine rote Piste. Sie wird bereits zu Beginn dieser Vorstellung gerecht. Furten mit tiefen sandigen Zufahrten, die mit vielen spitzen Steinen gespickt sind und ordentlich Bodenfreiheit nebst guten Reifen verlangen. Beides haben wir zum Glück und fühlen uns gut gerüstet. Wir arbeiten uns ca. 15 Kilometer weiter vor, bis wir nahe der Hüttensiedlung in þorsmörk auf die erste von mehreren Furten über die Krossá stoßen. Mindestens 50-70cm Wassertiefe erwarten uns laut Buch, dazu wegen des trüben und reißenden Flusses eine schlecht vorher abzuschätzende Überquerung. Besser mal vorab testen. Micha zieht die Wathose über und begibt sich in die braunen Fluten. Bis zur Mitte kommt er, aber dann kann er sich kaum auf den Beinen halten, so sehr zerrt das Wasser an ihm. Auch die Bodenbeschaffenheit sei nicht optimal, ruft er mir zu. Und jetzt? Ein guter Rat aus dem Tourenguide lautet: „Wenn Du nicht hindurch laufen kannst, dann fahr besser auch nicht durch.“ – dies beherzigen wir mal lieber. Selbst Micha ist die Aussicht zu heiß, hier am vorletzten Reisetag den Mietwagen zu versenken. Videos von gescheiterten Furt-Versuchen an dieser Stelle haben wir gestern Abend mit großer Belustigung auf Youtube angesehen, und wir wollen keine unfreiwilligen Darsteller in einer neuen Ausgabe dieser Deppenfilme sein.
Zum Glück haben wir ja noch die Drohne für ein paar Bilder von der anderen Seite dabei. Und dank günstigem Wind und guter Sicht kann ich sie heute richtig weit ausfliegen. Auf dem Rückflug verfolge ich einen Super-Jeep, der sich von der Hüttensiedlung kommend auf uns zu bewegt. Eben ist schon ein Tourenbus hier durch den Fluß gefahren und dabei verdammt weit eingetaucht. Auch der Geländewagen mit den riesigen Ballon-Reifen liegt ganz schön tief im Wasser. Gute Entscheidung, hier umzudrehen. Aber auf dem Hinweg ist uns – neben diversen am Wegesrand abgestellten Autoleichen – ein Gletscher aufgefallen. Zwar nicht ultra-spektakulär, aber solide Eismasse, zum Greifen nah. Wir halten auf einem Hügel in etwa 1km Entfernung. Teleobjektiv und Drohne tun ihre Arbeit und sorgen für okaye Beweisfotos. Ein Blick auf die Uhr: erst Mittag, und im Hochland nördlich von uns reißt die Wolkendecke weiträumig auf. Vielleicht eine zweite Chance auf das Gebiet rund um Veiðivötn, wo ja vor einigen Tagen wegen des Dauerregens so gut wie keine Bilder entstanden sind? Wir probieren’s mal aus. Knappe zwei Stunden später haben wir hinter Hrauneyjar die Abzweigung zur F228 hinter uns gelassen und stehen nun wieder am Fellsendavatn.
Sonne scheint immer noch, das ist schon mal gut. Aber man sieht bereits hier einen deutlichen Unterschied zum ersten Besuch: die Berge sind alle komplett weiß, entlang der Straße haben sich bereits große Schneefelder angesammelt, und auch das obligatorische „impassable“ Schild kam schon. Wir versuchen es dennoch, denn die Strecke war jetzt nicht die übermäßige Herausforderung gewesen. Allerdings ist sie es heute, denn je weiter wir kommen, um so tiefer wird der Schnee. Als wir zum zweiten Mal trotz unseres höhergelegten Fahrgestells in solch einer Wehe fast aufsetzen, drehen wir um. Hat ja so keinen Zweck, zumal die Strecke immer höher ins bergige Gelände führt und man am Horizont fast ausschließlich Weiß erkennen kann. Also zurück und die nächstgrößere Piste F208 probiert, die ja immerhin einige Kilometer weit ins Hochland rein asphaltiert ist. Long story short: auch hier ist hinter der ersten ernsthaften Anhöhe Schluß. Selbst ein vor uns gefahrener Superjeep dreht in Sichtweite unserer Position wieder um. Zu viel und zu tiefer Schnee auf der Strecke.
Und der Wind erst! Beim Fotografieren muß ich das Stativ mit aller Kraft festhalten, damit das nicht wegfliegt. Ziemlich durchgefroren und ein wenig enttäuscht setzen wir uns wieder ins warme Auto und fahren nach Reykjavik. Weil wir doch schon einige Kilometer hinter uns haben, geht’s ohne weitere Umwege direkt zum Hotel. Selten habe ich in einem Haus übernachtet, bei dem der Name so wenig Programm ist wie hier. Das „Icelandair Hotel Reykjavik Natura“ kann außer mit ein paar Bäumen auf dem Parkplatz mit überhaupt keiner Natur aufwarten. Dafür befindet sich der Inlandsflughafen Reykjavik auf der Rückseite des Hauses. Für mich als Luftfahrt-Interessierten eine gute Wahl und damit doch irgendwie nicht gelogen, denn Icelandair kommt ja im Namen des Hotels auch vor. Wir beziehen unser Zimmer im zweiten Stock, mit direktem Blick über den Zaun zum General Aviation Bereich. Top! Nachdem wir uns frisch gemacht haben, geht’s runter ins Restaurant. Dort ist ein Buffett aufgebaut, nicht übertrieben üppig, aber solide Auswahl an kalten und warmen Speisen. Wirklich happig ist hier nur der Preis: umgerechnet 45 € pro Person, das haut rein. Wir finden einen gemütlichen Sitzplatz in der Bücherecke und machen es uns bequem. Dazu gibt’s für jeden von uns sehr gute Craft-Biere vom Faß. Mal sehen, was wir morgen unternehmen, denn kurz vor dem Schlafengehen kommt der nächste „Yellow Alert“ per E-mail. Aber darum kümmere ich mich jetzt nicht mehr…
Krokslón

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