Wintertour 2019

Die Lofotenwand, von Bord der Hurtigruten aus gesehen

Nach der Reise ist vor der Reise. Mittlerweile hat fast jeder aus mei­ner Familie schon ein­mal Nordlichter gese­hen, nur meine Frau Melanie hatte bis­lang kein Glück. Das soll sich 2019 end­lich ändern. Diesmal plane ich gleich eine zwei­wö­chige Tour ein. Mein Kollege Holger und seine Frau beglei­ten uns in der ersten Hälfte, dann flie­gen die Damen wie­der nach Hause. Mit Gert und Kathrin wird gleich­zei­tig fri­sches Personal aus Deutschland nach­ge­führt, und mit die­ser Gruppe ver­brin­gen wir anschlie­ßend eine Woche auf den Lofoten.

Samstag, 16. März

In die­sem Jahr fühle ich mich so rich­tig wie ein Reiseleiter. Nicht nur, daß ich wie üblich die Buchung der Flüge und Unterkünfte über­nom­men und die diver­sen Möglichkeiten für Aktivitäten im Zielgebiet recher­chiert habe. Diesmal sind es auch noch zwei ver­schie­dene Gruppen mit unter­schied­li­chen Ansprüchen, was Sport und Entertainment angeht. ALTNach einer Woche fin­det der flie­gende Wechsel auf dem Flughafen in Tromsø statt. Aber bis dahin dau­ert es noch eine Weile. Das Wichtigste ist schon­mal geklärt: die Kinder sind ver­sorgt. Melanies Freundin Mariam wird sich um Paula und Johannes küm­mern, wäh­rend wir eine Woche in den Norden Norwegens flie­gen, um mal wie­der rich­ti­gen Winterzauber zu erleben.
Wir tref­fen uns mit Holger und Silke am Parkhaus in Kelsterbach und fah­ren von dort mit dem Shuttlebus zum Terminal Eins. Gepäck abge­ben, Sicherheitskontrolle: das übli­che Prozedere, nur eben in streß­frei, weil wir Busineß-Class-Tickets haben. Der damit mög­li­che Zugang zur Lufthansa-Lounge lohnt sich nicht – es sei denn, man mag die Atmosphäre einer über­füll­ten Mitropa. Wir trin­ken also nur einen schnel­len Kaffee und schlen­dern dann in aller Ruhe zum Gate. Auch heute freuen wir uns wie­der über eine sehr zuvor­kom­mende Kabinenbesatzung, fei­nes Essen (mit Champagner für die Damen) und einen ange­nehm ruhi­gen Flug, der pünkt­lich um 13:20 Uhr am Gate 20 des Flughafens Tromsø-Langenes endet. ALT
„Effektivität bestimmt das Handeln“ lau­tet die Devise, und wäh­rend der Rest der Gruppe auf das Gepäck war­tet, eile ich nach drau­ßen zur Bushaltestelle und fahre mit dem näch­sten Bus hin­über nach Kvaløya. Dort laufe ich schnur­stracks zum Haus unse­res Autovermieters Øystein, des­sen Škoda Octavia 4×4 wir nach den guten Erfahrungen 2018 auch in die­sem Jahr wie­der gebucht haben. Ich mag diese unkom­pli­zierte Art der pri­va­ten Autovermietung, die nach dem Prinzip von AirBnB funk­tio­niert. Die Formalitäten erle­digt man dabei kom­plett per App, nicht mal die Anwesenheit des Wagenbesitzers ist bei der Übernahme nötig. Unser Auto steht vor der Garage der Familie Kroken, die ange­sichts des schö­nen Wetters übers Wochenende in die Berge gefah­ren ist. Nur noch eben frei­schau­feln – ca. 30 cm Schnee müs­sen besei­tigt wer­den – übers Smartphone die Übernahme des Wagens doku­men­tie­ren, und schon kann’s los­ge­hen. Zurück am Flughafen ste­hen die ande­ren Reisenden abfahr­be­reit am Ausgang. Perfektes Timing!
Unsere dies­jäh­rige Unterkunft ist ein Reihenhaus, das wir über AirBnB gebucht haben. Es liegt in einem Neubaugebiet – so neu, daß es noch nicht mal in Google Maps ver­zeich­net wurde. Wieder mal ist der Vermieter nicht da,ALT aber wie üblich fin­det man den Schlüssel in Norwegen ent­we­der unter der Fußmatte der Eingangstür oder wie heute im nicht abge­schlos­se­nen Briefkasten. Wir bezie­hen schon mal die Zimmer und neh­men eine kurze Inventur der Küche vor. Alles da, was man zum pro­fes­sio­nel­len Kochen braucht. Ein biß­chen creepy finde ich den Inhalt der Tiefkühltruhe – hier drin liegt ein hal­bes Dutzend nicht näher defi­nier­ba­rer toter Vögel. Selbst Holger als Jäger kann die Biester nicht so rich­tig zuord­nen. Da las­sen wir mal lie­ber die Finger von und gehen statt­des­sen in den nur 300 Meter Luftlinie ent­fern­ten „Kiwi“-Supermarkt, den ich schon auf der 2017er Tour mit mei­ner Tochter Paula schät­zen gelernt habe.
Als wir mit den ersten Einkäufen zurück sind, erscheint auch der Vermieter und gibt uns eine kurze Einweisung in sämt­li­che Elektrogeräte und Anlagen, die in die­sem hoch­wer­ti­gen Reihenhaus ver­baut sind. Und natür­lich freut er sich über unser Lob, das wegen der her­vor­ra­gen­den Lage und der geho­be­nen Ausstattung auch mehr als ver­dient ist. Wir woh­nen nur 300 Meter von einem Zugang zur Stadtloipe ent­fernt und haben es nicht weit bis zum näch­sten Supermarkt sowie zwei Haltestellen der Ringbus-Linie. Darüber hin­aus bie­tet die Wohnung ein Panoramafenster mit traum­haf­tem Ausblick Richtung Westen. Wenn wir auf der Couch oder am Eßtisch sit­zen, genie­ßen wir die Aussicht über den Tromsøysund nach Kvaløya. Auf der ande­ren Seite schaut man aus dem haus­brei­ten Küchenfenster in Richtung Sonnenaufgang und auf einen der Stadtparks mit Rodelhang. Top!
Während Melanie anbie­tet, die Einkäufe zu ver­stauen und schon mal die Zutaten fürs Abendessen zu schnib­beln,ALT zie­hen Silke, Holger und ich schnell noch­mal die Sportklamotten über und schnal­len die Langlaufskier an. Nicht ein­mal andert­halb Stunden nach unse­rer Landung ste­hen wir auf der „Lysloipe“, und das bei traum­haf­tem Winterwetter. Die Temperatur bewegt sich knapp unter dem Gefrierpunkt, und uns erfreuen strah­len­der Sonnenschein und Windstille. Besser könnte der Urlaub nicht begin­nen. Da wir Melanie nicht all­zu­lange war­ten las­sen wol­len, beschrän­ken wir uns auf eine kurze Runde von ca. sechs Kilometern, die uns zum See Prestvannet führt. Angesichts des Bombenwetters sind viele Leute auf den Loipen unter­wegs. Kurz bevor die Sonne hin­ter den Bergen ver­sinkt, keh­ren wir wie­der in unser sty­li­sches Quartier am Tussøyvegen zurück.
Wir essen daheim und blei­ben somit fle­xi­bel, falls wir spä­ter noch mal raus müs­sen. Für den Abend ist zwar keine starke Aurora-Aktivität vor­her­ge­sagt, aber der Himmel wol­ken­frei. Nach dem Dinner zie­hen wir uns noch ein­mal warm an und fah­ren zur Telegrafbukta. Nach einer hal­ben Stunde Wartens glaube ich, im Display mei­ner Kamera ein schwa­ches grü­nes Schimmern in nörd­li­cher Richtung erken­nen zu kön­nen. Und Tatsache: da bahnt sich eine dünne Aurora ihren Weg durch den nächt­li­chen Himmel. Ein biß­chen was kann man auch mit blo­ßem Auge erken­nen. Zum Checkmarken reicht es, aber rich­tig beein­druckt ist nie­mand. Immerhin kann die Kamera die schwa­chen Polarlichter eini­ger­ma­ßen festhalten.
Gegen zehn keh­ren wir in unsere Wohnung zurück und sit­zen bei einer Flasche Wein noch eine Weile zusam­men. Morgen soll das Wetter noch ein­mal brauch­bar wer­den, bevor uns zwei Tage Wolken und Niederschlag erwarten.

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schwa­che Nordlichter über der Telgrafbukta

Sonntag, 17. März

Wir sind alle rela­tiv früh wach. Ein Blick aus dem Fenster: das sieht ja gut aus! Sonnenschein und nur ein paar Federwolken am Himmel. Sehr viel­ver­spre­chend. Beim Frühstück bera­ten wir den Tagesablauf. Weil sie keine Skiausrüstung dabei hat, schlägt Melanie vor, daß wir ande­ren drei schon mal eine kleine Skitour unter­neh­men kön­nen, wäh­rend sie den Abwasch über­nimmt und sich anschlie­ßend eine Runde aufs Sofa legen will,ALT um in der Sonne zu chil­len. Da sagen wir natür­lich nicht nein und zie­hen uns für die Loipe um. Heute ist wie­der viel los. Am Morgen muß wohl schon mal die Spurmaschine durch­ge­fah­ren sein, denn die Tracks sehen top prä­pa­riert aus. Wir lau­fen in Richtung Süden und bewe­gen uns in Richtung Folkeparken. Hier schieße ich für meine Tochter wie­der ein Selfie vom Rodelhang und schicke ihr einen klei­nen Gruß nach Hause. Am Universitätsmuseum keh­ren wir um und ste­hen eine Stunde nach unse­rer Abfahrt erneut am Loipeneinstieg nahe unse­rem Hause.
Die Wohnung ist wie­der tip-top her­ge­rich­tet, und Melanie hat sich bereits stadt­fein gemacht. Wir zie­hen uns eben­falls um und fah­ren mit dem Auto ins Zentrum. Auf unse­rem klei­nen Bummel durch die City wer­den die ört­li­chen Restaurants auf ihre Eignung zur Gruppenverköstigung abge­checkt. Ich habe auch meine Kamera dabei, denn ein paar Fotomotive fin­den sich immer. Im Hafen, direkt neben dem Ishavshotel, liegt eine Korvette der Küstenwache ver­täut, die mäch­tig nach Stealth-Technologie aus­sieht. Dem gan­zen als Kontrast dient ein Matrose in etwas zu läs­sig getra­ge­nem Monteurs-Overall,ALT der sicht­lich gelang­weilt die Kanone des Schiffs putzt und sich in regel­mä­ßi­gen kur­zen Abständen ein klei­nes Päuschen in der Sonne gönnt.
Wir stei­gen wie­der ins Auto und fah­ren zu einem Spot, den mir Øystein gestern am Telefon als Tip für die abend­li­che Nordlichtbeobachtung genannt hatte. Den wol­len wir uns tags­über schon mal anse­hen. Weit ist es nicht. Nach einer hal­ben Stunde Fahrt sind wir da. Die ganze Landschaft hier ist tief ver­schneit. Am Berghang gegen­über sind kürz­lich ein paar Lawinen abge­gan­gen, und die Abrißkanten sind noch deut­lich zu sehen. Wir stap­fen vom Parkplatz hin­auf zu einem Bergsattel, auf dem ein Mobilfunkmast mit sei­ner Stromversorgungs-Hütte steht. Das ist unser Ziel. Auf den letz­ten paar hun­dert Metern müs­sen wir uns unse­ren Weg selbst bah­nen, denn die mei­sten Spaziergänger sind schon deut­lich vor uns umge­kehrt. Von hier oben hat man einen freien Blick in Richtung Nordosten und Südwesten, und die näch­sten Ortschaften sind min­de­stens zehn Kilometer weg. Das könnte was wer­den mit der Polarlicht-Beobachtung heute abend. Nun frischt aber der Wind auf. Wir fah­ren erst ein­mal wie­der heim.
Von gestern sind noch ein paar Nudeln übrig geblie­ben, und Brot mit Zeug zum Drauftun haben wir noch reich­lich.ALT Beim Mittagessen freuen sich Holger und ich über den klei­nen Rush am Flughafen Tromsø. Heute ist wie­der Runway 01 in Betrieb, und wir sit­zen auf der Höhe der letz­ten Meile im Endanflug. Herz, was willst Du mehr?
Melanie und Silke möch­ten sich etwas aus­ru­hen. Also machen sich Holger und ich allein mit den Skiern noch­mal auf den Weg zum Prestvannet. Die Sonne scheint, die Loipe ist top in Schuß und die Bretter glei­ten leicht. Darum hän­gen wir noch ein paar Extra-Kilometer mit dran und fah­ren vor­bei am Biathlon-Stadion mit der Eishalle bis zur Skibrua. An die­ser Brücke enden die Wohngebiete, und die Pisten füh­ren ein gan­zes Stück durch den Stadtwald. Ab hier ist heute nicht mehr gespurt, also ein guter Zeitpunkt zum Umkehren. Wir fol­gen der sanft abfal­len­den Loipe am Stadion vor­bei und freuen uns über herr­li­che Ausblicke über die Insel Tromsøya. Wieder am hei­mi­schen Pistenausstieg ange­kom­men, checke ich nur mal schnell meine Fitneßuhr: über zwölf Kilometer gefah­ren, nicht schlecht für eine Nachmittagsrunde!
Melanie und ich gehen nach dem Duschen und Umziehen noch eine kleine Runde im Park hin­ter unse­rem Haus spa­zie­ren, um die letz­ten Sonnenstrahlen zu genie­ßen. Bei unse­rer Heimkehr bie­tet sich noch­mal ein schö­nes Lichtspiel in der Dämmerung, das wir aus dem Wohnzimmer bestau­nen.ALT Wir chil­len noch eine ganze Weile auf der beque­men Sofalandschaft, und gegen 19 Uhr gibt’s Vesper. Auch unsere Lieben daheim ver­ges­sen wir nicht und tele­fo­nie­ren nach dem Essen aus­führ­lich mit ihnen.
Meine Polarlichter-App sagt eine etwas stär­kere Aktivität als gestern vor­aus, also stei­gen wir gegen 21 Uhr noch ein­mal ins Auto und fah­ren zu dem Berg, den wir heute mit­tag in Augenschein genom­men hat­ten. Ein paar mehr Leute als vor­hin ste­hen hier, das scheint also ein guter Spot zu sein. Gut ein­ge­packt stie­feln wir durch den tie­fen Schnee bergan, und keine zehn Minuten spä­ter kommt die erste gut sicht­bare Aurora übers Meer heran gewa­bert. Erst rela­tiv wenig, dann immer leb­haf­ter bewe­gen sich die grü­nen Lichter über den bei­nahe wol­ken­freien Nachthimmel, und mir gelin­gen ein paar ganz ordent­li­che Fotos davon. Um uns her­um­ste­hende Fotografen schei­nen eben­falls recht zufrie­den mit ihrer Ausbeute zu sein. Auch meine Liebste ist von der Performance der Nordlichter im Vergleich zu gestern sehr ange­tan und macht nun ein über­zeug­tes Checkmark auf der To-Do-Liste für diese Reise. Wir ver­su­chen uns noch an ein paar Langzeit-Selfies mit den Auroren, aller­dings fällt wegen des kal­ten Windes das Stillhalten nicht leicht. Eine Stunde spä­ter bricht dann die Aktivität am Himmel kom­plett ein, und so keh­ren wir zurück in unsere kusche­lig warme Ferienwohnung.

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Nordlichter über Lyfjord und Vengsøya

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