Blick zum Smørdalskammen

Montag, 18. Juli

In diesem Jahr habe ich bei der Tourenplanung auf einen Mietwagen verzichtet. Was sich allerdings als nicht allzu schlau herausstellt, da man die meisten meiner liebsten Orte auf den Lofoten nun mal bequemer mit Auto erreichen kann. Insofern trifft es sich ganz gut, daß unsere Gastmama heute Morgen ihres nicht braucht, denn sie wartet auf die Ankunft einiger Gäste aus Nordschweden. Es handelt sich um Freunde ihres Schwiegersohnes Jon Tomas, und wie viele seiner Landsleute scheinen diese kein Händchen für zeitliche Absprachen zu haben. Die telefonisch durchgegebene Ansage „irgendwann am Vormittag“ läßt denn auch eine gewisse Präzision vermissen, und mit solch grobem Raster kommt man natürlich als Gastgeber nicht sehr weit.
Wir schlagen Anne Gerd einen Deal vor: Johannes und ich dürfen ihr Auto bis Nachmittag haben, dafür erledigen wir alle notwendigen Einkäufe und tanken den Wagen voll. Sie ist einverstanden, und so suchen wir zunächst erst einmal unsere Lieblingsplätze auf, die Buchten von Uttakleiv und Haukland. Mit der mitgebrachten Frisbee-Scheibe haben wir viel Spaß, auch das Parcour-Laufen über die großen Steine am Strand wird immer wieder gern genommen. Leider haben wir jedoch vergessen, Wechselklamotten einzupacken – und so endet der erste Ausflug recht jäh nach einem unfreiwilligen Bad im Bach.
Mittagessen lassen wir heute ausfallen, da unsere Gastmama für den Abend Grillen am See empfohlen hat. Das Wetter soll einigermaßen brauchbar bleiben, vielleicht sogar mit etwas Sonne. Wir kaufen also in Leknes die Zutaten fürs Barbecue und weitere Lebensmittelvorräte für das Frühstück der nächsten Tage. Eine Flasche Wein wird auch gleich noch mitgenommen, denn der staatliche Spirituosen-Dealer Vinmonopolet ist hier vor Ort recht gut sortiert. Jetzt noch das Auto aufgetankt, und dann kann es zurück zum Haus gehen, denn Johannes möchte gerne wieder angeln oder mit dem Ruderboot eine Runde über den Storfjordvatnet drehen.
Auch die vier Schweden sind mittlerweile eingetroffen. Sie übernachten im eigenen Wohnwagen, der am Seeufer geparkt steht. Zur Freude meines Sohnes sind die Herren passionierte Petri-Jünger und richten ihm eine von Anne Gerds alten Angelruten her. Schnell noch ein paar Köder organisiert, und dann ist Joe für eine ganze Weile beschäftigt. Ich helfe derweil bei der Vorbereitung des Abendessens. Bei schönstem Sonnenschein speisen wir später in großer Runde auf einer improvisierten Sitzlandschaft direkt am See. Deutscher Wein und hausgemachte schwedische Schnäpse werden gereicht, und so klingt dieser Tag sehr gemütlich aus…

Angeln auf dem Storfjordvatnet

Dienstag, 19. Juli

Da heute keine weiteren Gäste erwartet werden, möchte Anne Gerd gerne einen Ausflug mit uns machen. Den ursprünglichen Plan, nach Skrova überzusetzen und dort eine Tageswanderung zu unternehmen, geben wir wegen der mäßigen Wetterprognose auf. Über der vorgelagerten Insel hat sich bereits eine dunkle Regenfront aufgebaut, die bis zum Festland reicht. Noch am Fähranleger in Svolvær wird entschieden: wir bleiben auf Austvågøya. Hier sind wir flexibler, falls es so richtig mit regnen anfangen sollte. Da wir aber nun schon einmal so weit gefahren sind, bleiben wir gleich in dieser Ecke des Inselreichs und starten unser Tagesprogramm beim Lofoten-Aquarium in Kabelvåg.
Bei dieser Einrichtung handelt es sich um den in meinen Augen kläglich gescheiterten Versuch, hier eine Attraktion in der Art von SeaLife zu etablieren, was mangels finanzieller Möglichkeiten und aufgrund fehlender Besucher nie über das Niveau einer schlechten Kopie hinausgekommen ist. Kleine, heruntergekommene Außenbecken für Seelöwen und Fische sprechen Bände, und drinnen sieht es nicht besser aus. Eine Handvoll große Glastanks, in denen lokales Meeresgetier herum dümpelt, zwei Streichelbecken mit Seesternen für Kinder, eine kleine Fotoausstellung im Obergeschoß – das war’s. Um den Eintrittspreis von über 35 € für zwei Erwachsene und ein Kind wenigstens zeitlich auszunutzen, bestellen wir uns im Café ein paar Waffeln, die jedoch auch nur mäßig delikat schmecken.
Johannes will raus und sich bewegen, das merken wir schnell. Anne Gerd und ich haben dieselbe Idee: wir fahren zum Dörfchen Kalle, dessen gleichnamige Bucht bei den Einheimischen unter dem Namen „Paradies“ bekannt ist. Hier könnte man zum Beispiel am Strand baden gehen, sofern man über einen Neoprenanzug oder ausreichende natürliche Fettreserven – mein Nachbar Bernd nennt das immer scherzhaft Biopren – verfügt. Der kalte Wind vereitelt heute aber auch jeden noch so kläglichen Versuch. Selbst die Locals bleiben an Land. Nur ein paar Kajakfahrer paddeln in der Bucht herum. Ansonsten ist der Bereich hinter dem Sandstrand voll mit Zelten, wie uns auffällt. Selbst Anne Gerd ist ratlos. Solche Massen (Wichtig: norwegischen Maßstab für „Massen“ beachten!) an Campern habe es hier bis vor wenigen Jahren nie gegeben, erzählt sie uns.
Also lassen wir Kallebukta links liegen und wandern den schmalen Pfad zur etwas weiter abseits gelegenen Bucht Bremvika, immer im Schatten des Vågakallen, Lofotens höchstem Berg, der wirklich eine eindrucksvolle Kulisse bietet. Nicht umsonst ist diese Ecke der Insel Austvågøya einer meiner Lieblingsplätze dieses Archipels. Passend dazu kommt gerade die Sonne heraus. Wir klettern ein wenig den felsigen Hang hinauf und legen auf einem kleinen Plateau ein Picknick ein. Anne Gerd verzehrt ihr hausgemachtes „Matpakke“, wir haben uns vorhin in Svolvær beim Bäcker Kringla am Hafen zwei große Sandwiches gekauft, die uns zumindest optisch mehr ansprachen als labberiges Brot mit braunem Käse. Das sorgte eben ganz kurz für Verstimmung, aber unsere Gastmama hat schon verstanden, daß die norwegischen Eßgewohnheiten – und dazu zählt auch das immer gleiche Lunchpaket – nicht jedermanns Geschmack sind. Und wir beiden Jungs sind ja schon ein bißchen verwöhnt. Joe gönnt sich ein „Chicken Fajita“ Baguette und ich eins mit Roastbeef. Lecker.
Das Beste an unserer kleinen Pause ist jedoch der Ausblick von unserem Rastplatz. Nicht nur, daß wir heute aufgrund des Windes klare Luft haben und bis zum Festland gucken können. Am Fuß des Nachbarfelsens hat sich der Anfängerkurs einer nahegelegenen Kletterschule niedergelassen, was für spannende Momente sorgt, als sich die Greenhorns an die Erklimmung der relativ glatten Wand wagen. „Damit hätten wir schon mal wieder einen Programmpunkt für unsere nächste Tour“, denke ich und stelle mir bereits bildlich vor, wie die Papa-Sohn-Seilschaft in eben jener Felswand hängt und sich gegenseitig sichert. Das wird bestimmt cool…
Aber heute wollen wir lieber ohne Equipment über die leichter zugänglichen Klippen klettern. Etwas unterhalb unseres Sitzplatzes lockt zudem ein kleiner See mit vielen faustgroßen Steinen am Ufer, die alle „Wirf mich rein!“ zu rufen scheinen – und dann kann der Joe nun wirklich nicht widerstehen. Wir beide starten einen kleinen Wettbewerb, wer wohl den gewaltigsten Brocken ins Wasser befördern kann, den ich aufgrund meiner größeren Kräfte (noch) für mich entscheiden kann. Anne Gerd pflückt derweil Blumen, aus denen sie sich in Ruhe einen Kranz flechten will, wenn wir Jungs in den Klippen herumtollen gehen. Die felsige Küste ist hierfür wirklich ein Paradies, und ich beginne zu ahnen, warum diese Ecke von den Ureinwohnern der Lofoten so genannt wird. Auch Johannes gefällt es hier, und wir erklimmen immer neue Plateaus, bis wir auf einmal ganz vorn an der Kante stehen. Ab hier geht es nur noch senkrecht nach unten. Ich schätze mal: 40 bis 50 Meter werden es wohl sein.
Joe schreckt zurück. Wir sollen lieber etwas weiter hinten weiter herum kraxeln. Den Gefallen tue ich ihm gerne, zumal dort auch wieder einige Kletterer unterwegs sind, denen man in einer kurzen Verschnaufpause bei ihrem Tun zusehen kann. Inzwischen hat sich auch unsere Gastmama zu uns gesellt und präsentiert uns stolz ihren Haarkranz. Wow! Waren wir so lange weg? Nun ja, anderthalb Stunden werden es wohl gewesen sein. Zeit für ein zweites Picknick, bei dem die Reste des Lunchpaketes vertilgt werden. Nach dem Essen begeben wir uns wieder zurück zum Auto, denn die Regenfront hat mittlerweile die Küste erreicht. Da wir aber noch nicht sofort nach Hause fahren wollen, müssen wir auf die andere Seite der Berge, wo vielleicht noch besseres Wetter herrscht. Für dieses Vorhaben bietet sich die Insel Gimsøya mit ihrem breiten Sandstrand geradezu an. Sie bleibt eigentlich immer von Touristenmassen verschont und verschafft einem noch so etwas wie das ursprüngliche Lofoten-Feeling. Außerdem liegt sie direkt am Heimweg. Besser geht’s nicht. Allerdings ist nach dem Herumtoben auf den Klippen doch ein wenig die Luft raus bei uns, und darum bauen wir nur ein paar Kleckerburgen am Strand und spielen eine Runde Frisbee, während Anne Gerd im Gras liegt und chillt. Nach einer Stunde beginnt es leicht zu regnen, was für uns ein willkommenes Abfahrtsginal ist.
Wieder daheim angekommen, sind Johannes‘ Akkus erneut aufgeladen. Die schwedischen Gäste machen gerade ihr Equipment fürs Fliegenfischen fertig, da muß mein Sohn mit dabei sein. Anne Gerd und ich bereiten derweil das Abendbrot zu, das wir wieder an der frischen Luft essen können. Ein Fischgang fällt zum großen Bedauern aller Beteiligten aus, da der Storfjordvatnet heute leider nix hergibt. Nach dem Dinner fahren wir zwei Jungs noch mit dem Ruderboot raus und umrunden einmal den See.

Kleckerburgenbau am Strand von Vinje

älter Lofoten 2016, Teil 1
neuer Wintertour 2017

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