Dalsmynni, Snæfellsnes
Montag, 5. Oktober
Nach dem ziemlich verregneten gestrigen Tag – den Melanie übrigens ohne Murren hinter sich gebracht hat – muß Island heute noch mal richtig punkten, sonst wird das nix mit einem Familienurlaub auf dieser Insel. Ich stehe also ziemlich unter Druck und studiere gleich mehrere Internetseiten mit Wettervorhersagen, um aus dem letzten Reisetag das Optimum herauszuholen. Heute weht der Wind schwach bis mäßig aus Südost, und über dem Meer kann ich ein gewaltiges blaues Loch in den Wolken erkennen. Wenn mich nicht alles täuscht, sollte sich dieses Sonnenschein-Gebiet in den nächsten Stunden Richtung Halbinsel Snæfellsnes bewegen. Das paßt ganz gut, denn „Schnüffelstück“, wie mein Kumpel Micha und ich die Region seit unserer ersten Reise der Einfachheit halber nennen, komprimiert praktisch die Essenz Islands in wenige Quadratkilometer: Vulkane, Gletscher, Mondlandschaften, Wasserfälle und spektakuläre Küsten.
Eigentlich wollten wir uns heute Vormittag mit meinem Kollegen Bogi vom ACC Reykjavik in der City auf einen Kaffee treffen, aber das muß ich wohl leider absagen. Ein Isländer versteht das. Mit den Worten: „When travelling to Iceland, maximum flexibility is the key to success!“ unterstützt er mein Ansinnen. Er weiß ja, daß ich hier mit meiner Liebsten auf Promotion-Tour bin und nicht zum Spaß. Also verschiebe ich den geplanten Besuch im Kontrollzentrum auf eine der nächsten Reisen. Wir frühstücken heute nur kurz beim Bäcker um die Ecke und nehmen dort noch ein paar Brötchen als Wegzehrung mit.
Die Stadt Borgarnes ist unsere erste Zwischenstation. Hier plaudern wir eine ganze Weile mit der Dame an der Touristeninformation, die sich über die Abwechslung sichtlich freut. Danach noch schnell ein paar Prospekte über Westisland eingepackt und weiter geht’s. Nach wenigen Kilometern wartet schon der erste, etwas in die Breite gezogene Wasserfall mit dem dem passenden Namen Langfoss auf Besichtigung. Leider ist hier aber neuerdings „Private Property“ und alles abgesperrt. Und wenn ich schon mit meiner Frau unterwegs bin, dann neige ich dazu, solche Schilder zu respektieren. Wenn Micha dabei wäre, sähe das vielleicht anders aus – der läßt sich doch von so ein paar ollen Schriftzeichen auf Ausländisch kein Fotomotiv verbieten! Weil ich weiß, daß an der Strecke noch ein oder zwei schicke Wasserfälle kommen werden, gibt es nur ein kurzes Selfie vor der Absperrung. Wir fahren weiter der Sonne hinterher und erreichen das „Blue Hole“ nach wenigen Kilometern. Landschaft in herrlichen Herbstfarben säumt unseren Weg. Wie klasse das hier alles aussieht, wenn das Licht paßt. Melanie entdeckt sogar einen mir bislang unbekannten Wasserfall direkt an einer Brücke und ist stolz wie Bolle, mir etwas in Island zeigen zu können. Läuft!
Die Straße führt uns auf der Südseite der Halbinsel Snæfellsnes entlang, vorbei an langen Sandstränden auf der einen und großen Tafelbergen auf der anderen Seite. Nach etwa einer Stunde Fahrt erreichen wir Buðir, dessen Kirche eins meiner Lieblingsfotomotive aller bisherigen Reisen ist. Auf der dem Berg zugewandten Straßenseite entdecken wir aber zuvor noch den Bjarnafoss – einen weniger bekannten, aber recht spektakulären Fall, der in mehreren Kaskaden ins Tal stürzt. Wieder ein Pluspunkt.
An der Kirche selbst legen wir nur einen relativ kurzen Halt ein, weil alle Wetterberichte übereinstimmend ab spätestens 17 Uhr großflächig Regen vorhergesagt haben. Bis dahin will ich keine Zeit vergeuden. Etwas länger verweilen wir in Arnastapi, wo ich heute auch zum ersten Mal bin. Und das lohnt sich wirklich. Obwohl der Wind nur leicht weht, brechen sich an der atemberaubend schönen Steilküste mit dem markanten Felsentor gewaltige Wellen. Kein Wunder, daß hier auch jede Menge Fotografen am Werk sind. Ein paar davon kann man auf dem Bild am linken Rand erkennen. Melanie bleibt an einer der befestigten Plattformen stehen und genießt die Aussicht, während ich noch etwas in der Gegend herumlaufe – gespannt darauf, was es hier alles Tolles zu entdecken gibt. Eine halbe Stunde später treffen wir uns wieder am Auto und fahren weiter bis Helnar, wo man unten am Strand eine Felshöhle bestaunen kann, in der die Brandung tolle Druckwellen erzeugt. Allerdings paßt heute die Wind- und damit die Wellenrichtung nicht ganz, und obendrein habe ich nicht das passende Equipment dabei. Also weiter.
Nach ein paar Kilometern entdecken wir auf der linken Straßenseite einen Rastplatz mit unverbaubarem Blick auf den Vulkan „Schnüffelstück-Jucken“, die etwas vereinfachte Form des isländischen Begriffs Snæfellsjökull. Da wir beide mittlerweile etwas Hunger bekommen haben, nutzen wir die Gelegenheit und essen an der frischen Luft die Astronauten-Version von Linseneintopf mit Speck. Sagen wir mal so: wenn man 2 Wochen im Nirgendwo unterwegs ist (ohne ordentliches Essen), dann KANN man das lecker finden. Heute aber nicht. Nun ja, satt macht es immerhin. Und ich kann wieder meinen neuen Hightech-Kocher zum Einsatz bringen. Letztlich macht auch der Berg im Hintergrund das Mahl zu etwas Besonderem. Gestärkt durch unser Trockenfutter gehen wir ein kleines Stück zur Steilküste vor, wo eine Aussichtsplattform einen herrlichen Blick auf den markanten Felsen Lóndrangar ermöglicht. Da müssen wir näher ran. Vorher werden auf den hiesigen Klippen erst noch schnell ein paar Selfies geknipst, bevor wir weiterfahren.
Daß wir diesen herrlichen Küstenabschnitt bei unserer ersten Tour 2011 so einfach links liegen gelassen haben, kann ich heute kaum glauben. Ein magischer Ort. Wir spazieren an einem schwarzen Kiesstrand entlang und klettern auf die Basaltklippen, an deren Kante die Gischt der Brandung meterhoch empor spritzt. Weil meine Liebste allerdings ein ungutes Gefühl dabei hat, wenn ich so nah an der Gefahrenzone stehe, bleiben wir hier nicht allzu lange. Ein letztes Foto noch, dann drehen wir um. Mittlerweile ziehen sich die Wolken zusammen, der Wind frischt auf und die Sonne verschwindet. Es wird ungemütlich – ein guter Zeitpunkt, heim zu fahren.
Leuchtturm Hvalhöfði, Snæfellsnes
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