Edinburgh, Princess Street
In diesem Jahr ist unsere Papa-Sohn-Tour auch ein wenig als Goodie dafür gedacht, daß sich Johannes in den vergangenen Jahren im Englisch-E2-Kurs immer ein wenig schwergetan und vielleicht manchmal am „Warum?“ gezweifelt hat. Bald kann er seine guten Kenntnisse unter Live-Bedingungen anwenden. Ich hatte ein wenig darauf gehofft, daß der Brexit nicht so schnell kommt, aber Ende Oktober dieses Jahres soll es schon so weit sein. Darum wird uns unsere Reise noch ganz kurz vor Toresschluß in das Vereinigte Königreich führen. Und weil mir bei meinen vorangegangenen Touren Schottland immer wieder gut gefallen hat, ist dies unser Ziel.
Freitag, 27. September
Heute Nachmittag geht es los. Allzu viel Zeit zwischen Unterrichtsende und Abflug in Frankfurt bleibt uns nicht, aber dank einer Absprache mit Johannes‘ Lehrerin kann ich ihn eine halbe Stunde früher von der Schule abholen. Die Autobahn Richtung Norden ist auch noch relativ frei, und am Flughafen habe ich die Valet-Parking-Option gebucht. Das Auto wird uns also direkt am Terminal von einem Mitarbeiter des Parkhaus-Betreibers abgenommen. Das spart Zeit für Gepäckabgabe und Sicherheitskontrolle.
Wider Erwarten gehen diese Formalitäten so flott vonstatten, daß sogar Zeit für einen kleinen Snack im Abflugbereich bleibt. Ein Airbus A320 neo mit dem Kranich am Heck bringt uns fast pünktlich nach Edinburgh. Auch hier wird zügig abgefertigt, und schon eine Viertelstunde später stehen wir an der Haltestelle des öffentlichen Nahverkehrs vor dem Terminal. Zwei Buslinien, eine Straßenbahn und diverse private Shuttleservices starten hier in kurzen Intervallen, sodaß man im Prinzip nie länger als fünf Minuten auf eine Beförderung Richtung Downtown warten muß. Top!
Mit einmal Umsteigen in der Princess Street erreichen wir unser Bed & Breakfast im etwas nordöstlich des Zentrums gelegenen Viertel namens Leith. Praktischerweise hält der Bus direkt vor der Unterkunft. Das „Millers 64“ wird von zwei Schwestern in den Sechzigern geführt und hat nur zwei Gästezimmer, die dafür schön groß gehalten und hochwertig eingerichtet sind. Nach einer etwas flüchtigen Begrüßung durch Wirtin Louise und einer kurzen Verschnaufpause machen wir uns wieder auf in die Stadt.
Um am Abreisetag keinen unnötigen Streß zu bekommen, holen wir unsere im Internet reservierten Zugtickets nach Manchester heute schon am zentralen Bahnhof Waverley Station ab. Mittlerweile ist es 19 Uhr, aber die Dämmerung senkt sich erst ganz allmählich auf Edinburgh herab. Wir spazieren ein wenig auf der Princess Street herum, um schon mal Inspirationen für Ausflüge zu sammeln.
Eine Stunde später nehmen wir den Bus zu unserem Quartier. In der Nähe soll es einen der besten Italiener Schottlands geben, der mir überdies von einigen Kollegen und auch von Louise vorhin nochmals ausdrücklich empfohlen wurde. Vor dem Eingang wartet bereits eine kleine Schlange, aber da Johannes und ich als einzige zu zweit sind, kommen wir zügig rein. Und wir müssen zugeben: „La Favorita“ wird den Erwartungen mehr als gerecht. Jo bestellt sich Pizza, ich nehme die Tagesempfehlung – eine Schüssel mit Muscheln aus hiesigen Gewässern. Gut abgefüllt trollen wir uns kurz vor zehn in unsere Unterkunft und gehen gegen Mitternacht ins Bett.
Blick von Calton Hill zum Holyrood Park
Samstag, 28. September
Darauf hat sich Johannes gefreut! Als er gestern den Wunschzettel mit den Zutaten fürs Full Scottish Breakfast ausfüllen durfte, blieben außer Bohnen keine Optionen unangekreuzt. Wir erscheinen um halb neun im Eßzimmer und sind die einzigen Gäste am Tisch, so daß sich Louise nach der Zubereitung des Frühstücks Zeit für ein Gespräch und ein paar Empfehlungen zu Aktivitäten nimmt. Dabei kann auch Jo zum ersten Mal ein wenig mehr Konversation auf Englisch betreiben, was ihm gut gelingt.
Wegen des sonnigen Wetters entscheiden wir uns heute für eine Erkundung der Stadt zu Fuß. Der Bus bringt uns wieder zur Princess Street, einem idealen Ausgangspunkt für Rundgänge durchs historische Stadtzentrum und über die Royal Mile. Auf dem Weg dorthin wird mein Teenie-Sohn wieder zum kleinen Jungen, als er die Bahngleise entdeckt, die quer durch die City in einem begrünten Einschnitt verlaufen. Da unten ist immer etwas los, und solche Züge kriegen wir bei uns natürlich auch nie zu sehen. Wir warten also eine Weile, bis sich alle Fahrzeugtypen wenigstens einmal wiederholt haben und setzen dann unseren Aufstieg Richtung Edinburgh Castle fort.
Die Idee mit dem Stadtrundgang hatten wohl wegen des Sonnenscheins außer uns wenigstens 10.000 andere Touristen auch, die sich jetzt dicht an dicht zwischen Lawn Market und dem Castle drängen. Entsprechend lang ist die Warteschlange an der Schloßkasse, und wir blasen die Besichtigung der Burg für heute ab. Stattdessen besuchen wir als Erstes die St. Giles Cathedral und zünden je eine Kerze für unsere verstobenen Omis an. Auf dem Weg die Royal Mile hinab buchen wir für morgen eine Führung durch Real Mary King‘s Close, eines der ältesten Gassensysteme unter dem heutigen Edinburgh.
Zwischen den Häusern hindurch kann man immer mal wieder die historischen Bauwerke auf dem Calton Hill, dem ältesten Park der Stadt erspähen. Aus Zeitmangel mußte ich diese Sehenswürdigkeit auf vergangenen Reisen immer auslassen, aber heute schaffen wir‘s. Vom Nelson Monument hat man einen herrlichen Rundblick auf die City. Und auch die umliegenden Grünanlagen bieten immer wieder schöne Aussichten über verschiedene Viertel der schottischen Hauptstadt.
Mittlerweile bekommt Johannes wieder ein klein wenig Hunger. Den in Aussicht gestellten Besuch beim Burger-Restaurant “Byron” muß er sich jedoch erst mal verdienen, denn das liegt auf der anderen Seite des Edinburgh Castle. Eine halbe Stunde strammer Fußmarsch durch viele historische Gassen bringt uns dorthin. Der Mittagsrush ist schon lange vorbei: die Kellner sind aufmerksam, und das Essen kommt schnell. Wenn ich das glückliche Gesicht meines Sohnes auf den Fotos aus dem Lokal sehe, hat sich der Weg gelohnt!
Direkt vis-à-vis vom “Byron” befindet sich eine Haltestelle von Hop-On-Hop-Off-Sightseeing-Touren. Nach einem gründlichen Studium der Fahrpläne kaufen wir uns zwei Tickets und nehmen den nächsten Bus Richtung Osten. Hier befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft des schottischen Parlaments einige Sehenswürdigkeiten wie das Holyrood House – ein Schlößchen, in dem die Königin bei ihren Besuchen Edinburghs zu übernachten pflegt. Der dazu gehörige Park ist für die Öffentlichkeit zugänglich, sofern die Hausherrin gerade nicht daheim ist.
Heute herrscht hier für unsere Begriffe zu viel Trubel, also weichen wir den Massen aus und wandern hoch zu den Salisbury Craigs, einer Kette felsiger Hügel im Holyrood Park. Hier setzen wir uns eine ganze Weile ins Gras und genießen den Blick auf die Altstadt von Edinburgh in der Abendsonne. Wieder unten am Parlament angekommen, nehmen wir einen der letzten Sightseeing-Busse Richtung City und steigen am Bahnhof Waverley Station aus. Ab hier laufen wir die 5 Kilometer zur Pizzeria „La Favorita“, wo Johannes heute gerne nochmals essen will. Da gestern auf deren Wochenkarte einige interessante Empfehlungen zu finden waren, stimme ich zu.
Eine schnucklige kleine Italienerin in engen Jeans mit Hosenträgern und weißem Hemd bedient uns heute. Ich wähle hausgemachte frische Pasta mit Meeresfrüchten, während sich mein Sohn auf keine Experimente einläßt und wieder eine Pizza Salami bestellt. Weil wir heute wirklich viel gelaufen sind und ich den sanften braunen Augen unserer Kellnerin nicht wiederstehen kann, nehme ich noch ein Tiramisu als Nachtisch und einen hausgemachten „Verteiler“ als Abschluß. Satt und zufrieden bringen wir die letzten Schritte bis zum B&B hinter uns und fallen nach dem Duschen müde ins Bett.
Blick von den Salisbury Craigs zum Calton Hill
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