Nappstraumen zwischen Flakstadøya und Vestvågøya
Freitag, 4. Juni
Wer meine bisherigen Reiseberichte aufmerksam gelesen hat, fragt sich vielleicht, an welcher Stelle dieses Jahr die obligate Große Inselrundfahrt eingebaut wurde, der sich kein Mitreisender entziehen kann. Jetzt geht‘s los. Etappenziel ist wie immer der Ort Å ganz im Südwesten der Insel Moskenesøya, weil die Straße dort endet und sich dieses Dörfchen somit als Endpunkt geradezu aufdrängt. Da Melanie keine riesige Lust auf eine größere Wanderung unterwegs hat, können wir auf dem Hinweg sogar noch einige Zwischenstops mehr als üblich einfügen. Also biegen wir auf Vestvågøya von der Hauptstraße ab und besuchen die wirklich traumhaften Strände in Haukland und Uttakleiv. Am letzteren finde ich sogar noch eine neue Attraktion, die gleich auf meiner Karte vermerkt wird. Wenn man den Weg an der Küste Richtung Haukland zurück geht, kommt man nach ca. 300m an einer weißen Bank vor einem Felsen vorbei. Unbedingt ausprobieren! Der Sitzkomfort ist zwar nur durchschnittlich, aber die Aussicht ist spitze – und erst der Sound!!! Meeresrauschen in Surround, und zwar volle Lotte von allen Seiten, durch die Reflexionen am Felsen auch von hinten. Melanie ist von der Chillout-Lounge begeistert und bleibt eine ganze Weile sitzen, was mir die Zeit gibt, den Weg noch etwas weiter zu gehen und nachzuschauen, ob hinter einer der nächsten Biegungen nicht noch ein bisher übersehenes Fotomotiv seiner Entdeckung harrt. Es harrt aber keins, und wir kehren zurück zum Strand nach Uttakleiv. Der auch bei Regen phantastisch „lofotig“ aussieht…
Ebenfalls angetan ist meine Liebste vom Strand in Myrland, schon eine Insel weiter südlich, auf Flakstadøya. Ein HDR-Foto dieses Ortes bei Mitternachtssonne hatte ich Melanie als Appetizer immer mal wieder gezeigt, und ein weiteres hängt als großes Poster hinter Glas bei uns zu Hause im Bad. Leider geraten wir genau an diesem schönen Ort in Streit. Worüber, wissen wir bei der späteren Versöhnung in Flakstad selber nicht mehr ganz genau – so daß meine Frau sicher nur eine medium-gute Erinnerung an Myrland mit nach Hause nehmen wird. Mist! Ein paar Autominuten weiter, in Vikten, herrscht immer noch Gewitterstimmung zwischen uns, und so geht dann Mel alleine ins Glasbläsermuseum, während ich im Wagen vor mich hin schmolle. Auf dem weiteren Weg nach Flakstad bringt uns dann die überraschende Sichtung zweier Robben zumindest erst mal wieder in einen Dialog, und kurze Zeit später – nach einem klärenden Gespräch – sind wir alle wieder lieb miteinander.
Wir haken Nusfjord und den See Storvatnet ab, dessen beeindruckend hohe Felswand heute leider hinter tiefhängenden Wolken verborgen bleibt. Am Strand von Ramberg gehen wir auf Muschelsuche, weil sich Melanie ein paar als Deko mit nach Hause nehmen möchte. Aber hier gibt es keine. Also weiter. Wir kommen bis Å, wo es nach kurzer Zeit richtig heftig zu regnen anfängt. Nun ist der Endpunkt erreicht, wir haben mittlerweile kurz nach 17 Uhr, und da sollte doch in Reine, nur ein paar Kilometer weiter nördlich, die “Gammelbua” auf haben. Auf dem Weg dorthin wundere ich mich noch, daß ich in den Tunneln so merkwürdig wenig sehen kann – sollte unser Licht am Auto etwa kaputt sein? Unseres nicht, aber die Tunnelbeleuchtung funktioniert nicht, weil, wie wir in der Gammelbua erfahren, der Strom ausgefallen ist, und zwar überall auf den Lofoten. Die Hauptversorgungsleitung zum Festland ist durch Sturm und Hagel beschädigt, und niemand weiß wie lange die Reparatur dauern wird. Zumal ja als Erstes die schadhafte Stelle gefunden werden muß, und bei dem derzeitigen Mistwetter steigt bestimmt nicht mal eben der Hubschrauber auf und fliegt nachsehen. Unglücklicherweise funktionieren keinerlei elektrische Geräte mehr, auch der Kühlschrank in der Küche der Gammelbua nicht. Und den macht der Chef nicht auf, weil er nicht weiß, wann der Strom wieder kommt. Nicht daß noch die ganzen Lebensmittel verderben. Leuchtet ein, aber tut weh. Nicht nur, weil wir inzwischen richtig Hunger haben, sondern auch, weil mir klar wird, daß Melanie meine ganze Schwärmerei für die tollen Speisen in diesem Restaurant wie hohle Phrasen vorkommen muß. Wir beschließen, eine Stunde zu warten, und, falls bis dahin keine Elektronen durch die Leitungen fließen, wieder nach Svolvær zu fahren. Nach der vereinbarten Zeit müssen wir leider unverrichteter Dinge aufbrechen. Nur zwei Cola und etwas Brot mit verschiedenen Aufstrichen konnte man uns gegen den größten Hunger geben. Kurz bevor wir losfahren, geht noch mal ein richtig fieser Regen-Graupel-Schnee-Hagel-Schauer durch, bei dem man nicht mal mehr die nächste Hütte erkennen kann.
Zurück in Svolvær ist das Problem mit dem Strom zwar immer noch nicht behoben, aber hier gibt es einige Stellen, die von einem lokalen Generator gespeist werden, und dazu gehört zum Glück auch eine Imbißbude am Hafen, wo wir endlich unseren Kalorienbedarf für heute decken können. Was das heutige Debakel mit meinem Lieblingsrestaurant bedeutet? Frei nach Wilhelm Busch: “Also lautet ein Beschluß, daß man noch mal kommen muß!”
Blick von Hovsund zum Haveren
Samstag, 5. Juni
Heute bleiben wir in Svolvær, weil die Wettervorhersage ganz gut aussieht. Ruhiges Programm ist angesagt. Wir laufen zur Mole am Hafen und genießen dort einige Zeit die Sonne. Danach kann ich meine Ankündigung von 2008 in die Tat umsetzen und an der versteckt gelegenen Bank auf Svinøya mit meiner Liebsten Händchen halten. Vor dem “Norlandia”-Hotel am Hafen startet und landet alle paar Minuten ein Helikopter, da müssen wir doch mal vorbeischauen. Und tatsächlich, dort werden Rundflüge angeboten, und das gar nicht mal so teuer. Allerdings hat die Crew gerade Mittagspause, und so knipse ich nur schnell das Plakat und nehme mir vor, bei einem der nächsten Urlaube einen dieser Flüge mitzumachen. Nach einem kleinen Mittagsimbiß am Hafen fahren wir nach Sildpolnes und zum Flughafen nach Svolvær. Nachmittags schreiben wir ein paar Ansichtskarten, besorgen Mitbringsel für Kinder und Verwandschaft und sitzen auf Anne Gerds Terrasse herum.
Nach dem Abendessen versuchen wir unser Glück und brechen noch mal auf, um vielleicht die Mitternachtssonne zu sehen. Gimsøya ist dafür gut geeignet. Die Insel ist klein und größtenteils flach, so daß hier eigentlich keine Wolken hängenbleiben können, die einem die Sicht auf die Sonne versperren. Aber wie immer gibt es welche, die sich solcherlei Zwängen nicht unterwerfen wollen und doch genau über der Insel wie festgenagelt verharren. Melanie und ich spazieren im Hafen von Hovsund etwas herum und fahren anschließend noch mal die Nebenstraßen von Gimsøya ab, um vielleicht noch ein paar Fotomotive zu finden. Kurz nach Mitternacht sind wir wieder zu Hause.
Lille Molla
Sonntag, 6. Juni
Gestern haben wir uns ausgeruht, heute werden wir wieder einen kleinen Ausflug unternehmen. Am Vormittag wandern wir zum Lille Kongsvatnet und drum herum. Schönes Wetter, leichtes Gelände – das gefällt auch Melanie. Nach einer kleinen Stärkung zum Mittag heißt das Ziel: Raftsund.
Wir passen die Einfahrt des Postschiffes an der Raftsundbrücke ab und fahren dann etwas voraus, um es später bei Tennstrand noch mal von den Felsen am Ufer aus zu beobachten. Ein paar neue, potentiell gute Fotospots werden im Navi markiert, aber nicht ausprobiert, weil ich die Geduld meiner Liebsten am vorletzten Reisetag nicht übermäßig strapazieren will. Wir fahren weiter auf die Halbinsel Årsteinen. Am Strand Trollskarholmen findet Melanie dann endlich ein paar richtig schöne Muscheln, die sie als Deko mit heim nehmen kann.
Zurück in Svolvær, gehen wir im Rica-Hotel dinieren. Leckeres Abendessen mit Blick auf den Hafen, dazu die warme Abendsonne – was will man mehr?
Ankunft der Abendfähre aus Skutvik
Montag, 7. Juni
Letzter Tag der Reise. Das Wetter ist mäßig, aber auf Vestvågøya soll es besser sein, und darum nehme ich Melanie noch mal mit auf eine kleine Tour nach Eggum. Hier ist es wirklich schön. Wenn man zelten will, findet man in Eggum ideale Bedingungen. Nach einem ausgedehnten Spaziergang am Strand fahren wir weiter zum Bio-Bauernhof Ålan Gard bei Borg, der sich auf die Zucht von Schafen spezialisiert hat. Neben Fleisch- und Molkereiprodukten aus Schafsmilch gibt es auch eine große Auswahl an frischen Kräutern zu kaufen, die im eigenen Garten angebaut werden. Die Tochter des Hauses nimmt uns mit auf eine kleine Besichtigung und stellt uns voller Stolz ihre deutschen Erntehelfer vor. Wir kaufen etwas Käse und ein paar Kräutermischungen und machen uns wieder auf den Heimweg.
Im B&B hat Anne Gerd anläßlich unseres letzten Abends noch mal gekocht. Da das Wetter endlich mal mitspielt, können wir auf der Terrasse essen. Bei einer Flasche Wein sitzen wir noch eine Zeit lang, genießen die Abendsonne und unterhalten uns über dies und das. Und jetzt versteht auch meine Frau, warum es mich immer wieder hierher zieht. Wenn man etwas Glück mit dem Wetter hat (und das hatte ich ja sonst immer), ist dies einer der schönsten Plätze, die man sich vorstellen kann. Zum Ausklang des Abends gehe ich mit Melanie ins “Magic Ice”, wo wir die einzigen Gäste sind. Wir kommen mit dem Barkeeper (aus Thüringen) ins Gespräch und dürfen auch mal hinter die Kulissen schauen. Ein gelungener Abschluß.
Bar in der Ausstellung ‚Magic Ice‘
Dienstag, 8. Juni
Tränenreicher Abschied von Anne Gerd. Ich verspreche, bald wieder zu kommen, dann vielleicht mit jemand anderem aus unserer Familie. Der Flug nach Süden bietet noch mal einen letzten tollen Blick auf die Lofoten. In Oslo angekommen, bringt uns der Flytoget in Nullkommanix ins Stadtzentrum, wo wir noch ein paar Stunden zum Bummeln und Shoppen haben. Letzte Mitbringsel werden gekauft, und dann geht’s wieder zurück zum Airport und von dort weiter nach Frankfurt. Hier warten schon unsere Kinder, die sich wie Bolle freuen, Mama und Papa endlich wieder in die Arme schließen zu können. Das war’s. – Nein? – Achso, ja. Fehlt ja noch das obligatorische Fazit:
Melanie muß unbedingt noch mal mit auf die Lofoten kommen. Geht ja gar nicht, daß sie meine Lieblingsinseln bei fast nur schlechtem Wetter erlebt hat. Immerhin kann sie jetzt meine Begeisterung für Land und Leute richtig nachvollziehen. Und die Sache mit dem ausgefallenen Essen in der “Gammelbua”? Da habe ich schon die ein oder andere Idee… 😉
Oslo, Åker Brygge
Kommentare sind deaktiviert