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Rast in der Kallebukta

Mittwoch, 3. August

Der heutige Reisetag wird zweigeteilt. Einerseits wollen wir uns ja immer ein bißchen bewegen, damit Johannes seine Energie loswerden kann, andererseits haben wir gestern eine ziemlich anstrengende Tour unternommen. 500 Höhenmeter, etliche hundert Kilo ins Wasser befördertes Felsgestein und nicht zuletzt der zusätzliche Thrill durch die – wenngleich unsichtbaren – Trolle wollen erst einmal weggesteckt werden.
Einen Zeitvertreib, den ich mit meinem Sohn bislang nur einmal in Karlsruhe angetestet habe, ist Geocaching. Und weil ich damals den Eindruck hatte, daß ihm das Spaß macht, habe ich also die dazu erforderliche App mit reichlich Daten – sprich potentiellen Fundorten – gefüttert. Die wollen wir heute im Laufe des Tages suchen und hoffentlich auch finden. Weil wir keine Austausch-Goodies für die kleinen Schatzkisten mit uns führen, einigen wir uns vorab darauf, den Inhalt der Caches nur anzusehen und ein Foto mit dem Spielzeug zu machen, das Johannes am besten gefällt.
Das Glück ist uns insofern hold, weil die meisten Caches auf den Lofoten im Großraum Svolvær verstreut sind, so daß wir zwischen den einzelnen Stellen nicht viel laufen bzw. fahren müssen. Den Anfang macht der Campinglatz Ørsvågvær, unweit von Kabelvåg. Hier liegen gleich zwei Schätzchen. Den ersten müssen wir auch gar nicht lange suchen, weil ein kleiner, gut sichtbarer Trampelpfad durchs Heidekraut den Weg weist. Hier entsteht auch das erste Foto mit der Dänemark-Flagge. Für den zweiten Cache müssen wir nur wenige hundert Meter laufen, über ein paar Felsen kraxeln und dann zwischen den Klippen nach einem kreisrunden Wasserloch Ausschau halten. Diese Suche nimmt etwas mehr Zeit in Anspruch, weil das GPS meines Smartphones hier keine genauen Werte mehr anzeigt und es überdies mehrere aufgrund ihrer Form in Frage kommende Stellen gibt. Aber nach einer dreiviertel Stunde – kurz bevor die Zuversicht schwindet – finden wir die kleine Tupperdose. Johannes hat sie als Erster entdeckt und ist mächtig stolz. Die nächsten beiden Caches liegen nicht allzuweit von uns entfernt in der Bucht von Kalle. Auch hier wieder finden wir den ersten Schatz recht schnell, aber der zweite liegt gut getarnt in einer Felsnische, so daß ich Johannes bei der Suche etwas unterstützen muß. Aber schließlich finden wir gemeinsam das Versteck. Wäre ja auch gelacht, wenn nicht!
Da die Sonne herausgekommen ist, und obendrein gerade nicht mal ein laues Lüftchen weht, setzen wir uns auf einen der flachen Felsen mit Blick auf die Bucht und picknicken. Anne Gerd hat uns wieder einmal ein reichhaltiges Lunchpaket mit belegten Brötchen, Kuchen, Obst und Tee zusammengestellt. Wie ein richtige Mama eben. Nach dem Essen tollt Johannes direkt wieder auf den Felsen herum, während ich erst einmal 5 Minuten Siesta im Sonnenschein halte.
Unsere Gastmutter hat uns den Tip gegeben, daß es bei Laukvik, einem beschaulichen kleinen Dorf an der Nordmeerküste, ein Kunstobjekt aus Schrott mit dem Namen „Violine“ geben soll. Dabei handelt es sich um einen während der letzten Herbststürme auf die Felsen geschleuderten Metallträger, den findige und kreative Köpfe aus dem Dorf mit Stahlseilen bespannt und ihm mit Hilfe diverser Applikationen aus Holz und Metall das Aussehen einer großen Geige verliehen haben. Wenn jetzt der Wind nur kräftig genug in das Objekt bläst, geraten die Saiten in Schwingungen und erzeugen einen violinenartigen Klang. Das werden wir mal in Augenschein nehmen. Auf der halbstündigen Autofahrt dorthin döst Johannes ein wenig und sammelt wieder Kräfte für das weitere Tagesprogramm. Der große Stahlträger mit Musik ist schon von weitem zu sehen, da die Küste rund um Laukvik zwar felsig, aber flach ist. Heute herrscht, wie vorhin schon gesagt, Flaute. Darum hört man von der Violine nichts. Aber mein Sohn findet zwischen den Klippen einige sehr ergiebige Stellen, um Muscheln zu sammeln. Damit läßt sich herrlich die Zeit vertreiben. Ich mache es mir derweil auf meiner ausgerollten Jacke gemütlich und beobachte Johannes bei der Suche. Ab und zu komme ich zum Helfen dazu und begutachte seine vielen Fundstücke. Da wir nur ein Glas voll Muscheln oder Korallen mitnehmen können, muß noch ordentlich aussortiert werden, was zu einigen Diskussionen führt. Aber die Aussicht, wegen der Gewichtsobergrenze beim Handgepäck für ein paar olle Kalktiere etwas von seinem Spielzeug hierlassen zu müssen, bringt letztendlich die gewünschte Einsicht.
Der Rest des Tages vergeht wie im Flug. Wir besuchen ganz spontan den Holzpavillon in Grunnfør, bevor wir auf direktem Wege nach Svolvær zurück fahren. Johannes hat sich nämlich noch einmal Steinewerfen gewünscht, und ich habe am Ende der künstlichen Halbinsel Moltebærholmen eine vielversprechende Stelle entdeckt. Auf dieser überdimensionalen Mole wurde vor einigen Jahren eine Reihenhaussiedlung angelegt. In dem dahinter entstandenen „Hafenbecken“ sammelt sich allerlei Treibgut, das man mit einigen gut gezielten Schüssen gut versenken kann. Johannes legt schon mal los, während ich in der Bucht Austerløpet, auf der anderen Seite der Mole, ein fotogenes Haus auf einer Mini-Insel erspähe, das ich gleich fotografieren muß. Nach etwa anderthalb Stunden klingelt das Handy. Anne Gerd ist dran und fragt, ob wir mit ihr zu Abend essen wollen. Da sagen wir natürlich nicht nein! Weil das aber nun schon die zweite Einladung ist, beschließen wir, als Ausgleich an unserem letzten Abend (also morgen) für unsere Gastmama Tom Kha Gai zu kochen. Erstens kriege ich die Suppe auch ohne Rezept hin, die zu erwartenden Esser mögen das alle und – was am wichtigsten ist – die notwendigen Zutaten bekomme ich alle in Svolvær zu kaufen. Nach dem Diner verkrümeln sich Johannes und ich noch einmal auf den Affenfelsen, um mit unseren Mädels daheim zu telefonieren. Der Abend endet mit Lego spielen bzw. Bücher lesen.

Haus auf Mini-Insel im Austerlopet bei Svolvær

 

Donnerstag, 4. August

Weil das gestern so gut funktioniert hat, werden wir den heutigen Tag ebenfalls zweiteilen. Vormittags ein wenig Kultur, denn Johannes hat sich einen Besuch des „Kriegsminne-Museums“ in Svolvær gewünscht. Am Nachmittag unternehmen wir wieder eine kleine Wanderung, die aber mit einer hervorragenden Aussicht an ihrem Endpunkt aufwarten kann.
Ich gebe zu: es hat mich ein wenig überrascht, daß sich mein Sohn für das Museum interessiert. Aber als wir vorgestern auf dem Rückweg vom Hafen an dessen Portal – markiert von einer alten Seemine – vorbei gegangen sind, kamen doch ein paar Fragen auf. Was ist denn eine Mine? Warum liegt die da? Ist das nicht gefährlich? Und letztendlich: was mag da wohl in dem Haus drin sein, das sich mit solch einer Deko im Eingangsbereich schmückt? Um das herauszufinden, müssen wir also dem Museum einen Besuch abstatten. Vorher erfolgt ein wenig Geschichtsunterricht für 5-jährige. Nicht ganz einfach zu erklären, warum wir Norwegen damals eigentlich überfallen haben. Aber klar: der große Bedarf an Eisenerz für die Waffenproduktion war in den frühen vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein schlagkräftiges Argument. Dabei stammte der begehrte Rohstoff nicht einmal aus Norwegen, sondern wurde im 100 Kilometer weiter östlich gelegenen schwedischen Kiruna gefördert. Worauf es uns Deutschen ankam, war der ganzjährig eisfreie Hafen in Narvik, von wo aus das Erz Richtung Heimat verschifft werden konnte. Es kam, wie es kommen mußte: Die Wikinger wollten den Germanen natürlich nicht freiwillig das Erz oder gar ihr Land überlassen, also hat unser damaliges (österreichisches) Staatsoberhaupt eine gewaltsame Änderung der bestehenden Eigentumsverhältnisse angeordnet. Darum sind deutsche Truppen auch in Nordnorwegen und sogar auf den Lofoten einmarschiert und blieben dort, bis sie 1945 von den Alliierten vertrieben wurden.
Über die Besatzungszeit, den zivilen und militärischen Widerstand der Norweger sowie über ihre Befreiung informiert das Museum in Svolvær mit Dokumenten, reichlich Erinnerungsstücken und vor allem mit vielen Modellen und Dioramen. Gerade letztere wecken bei Johannes großes Interesse. Ich muß ihm immer wieder bestimmte im Modell dargestellte Szenen erläutern, in den Kontext des Krieges einordnen und natürlich fotografisch festhalten. Toll, daß mein Sohn so wißbegierig ist, auch bei dieser schweren Thematik. Wir verbringen darum deutlich mehr Zeit im Kriegsmuseum als ursprünglich gedacht.
Nach einem kurzen Mittagssnack beim Bäcker Kringla am Hafen geht es mit dem Auto nach Digermulen, wo wir auf den Spuren unseres Kaisers wandeln wollen. Um Johannes zu solchen Wanderungen zu motivieren, habe ich die Idee eines Kinderbuchs aufgegriffen und eine Art Stempelkarte für die beliebtesten Touren der Lofoten besorgt. Im besten Fall läuft das so: Zuerst kauft man sich für umgerechnet 8 Euro die Karte „Ti på Topp Lofoten“ (Top 10 Lofoten). Sieht in etwa aus wie ein Lotto-Tipschein und enthält jährlich eine neue Routen-Zusammenstellung. Innerhalb des Kalenderjahres läuft man dann alle 10 Touren, nimmt die Karte natürlich mit und knipst auf jedem Gipfel mit einer dort plazierten Lochzange ein spezielles Muster in das Feld der entsprechenden Wanderung. Hat man alle geschafft und gestempelt bzw. gelocht, gibt man die Karte an einer der Ausgabestellen ab und nimmt automatisch an einer Verlosung teil, deren Hauptpreise ansehnlich hohe Gutscheine verschiedener Geschäfte auf den Lofoten sind.
Wir starten unsere Wanderung am frühen Nachmittag in der Ortsmitte von Digermulen. Die Tour führt zunächst über Wiesen und Felder, später durch Wald immer bergauf – erst ganz sanft und dann immer steiler – bis sie auf dem weitläufigen Gipfelplateau des Digermulenkollen endet. Hier wurde auch eine Gedenktafel zu Ehren Kaiser Wilhelms II. angebracht, der diese Wanderung mit Gefolge zweimal im Rahmen seiner jährlichen Nordlandreisen unternahm. Neben der Steinplatte mit der Inschrift ist eine Blechkiste deponiert, wo sich die Lochzange und das Gipfelbuch befinden. Johannes knipst stolz wie Bolle das dritte Muster in seine Stempelkarte, bevor wir uns zum Rand des Plateaus begeben, um auf der Raftsund-Seite nach der Hurtigruten Ausschau zu halten. Kurze Zeit später kommt sie auch schon durch den engen Meeresarm gefahren. Heute ist es die „Midnatsol“, das Schwesterschiff der „Trollfjord“ und damit der größte Pott der norwegischen Reederei. Während wir den Dampfer bei der Umrundung der Insel Ulvøya beobachten, verzehren wir unser mitgebrachtes Lunchpaket. Eine halbe Stunde später hat sie den Trollfjord hinter sich gelassen und tuckert zu unseren Füßen für ein passendes Abschiedsfoto vorbei. Danach machen wir uns wieder auf den Rückweg.
Unseren letzten Abend verbringen wir gemeinsam mit unserer Gastgeberin auf der Terrasse, weil das Wetter glücklicherweise mitspielt. Erst gibt es den von uns gekochten Hauptgang, „Suppe Nr. 3“ mit Reis, während Anne Gerd das Dessert zubereitet: frische Moltebeeren mit Sahne oder Eis. Mein Sohn, der nach dem ersten Probelöffel vom Geschmack der arktischen Frucht, sagen wir mal, nicht hundertprozentig überzeugt ist, bekommt statt dessen einen Mix von Erdbeeren aus dem Garten und jener Heidelbeeren, die unsere Gastmama vorgestern gesammelt hat. Das schmeckt, und alle sind glücklich und zufrieden. Um halb elf erfolgt der obligatorische Anruf vom Affenfelsen bei unseren Mädels daheim, bevor wir leider unsere Koffer packen müssen. So endet der letzte Urlaubstag auf den Lofoten.

Digermulenkollen, Endpunkt des ‚Kaisermarsches‘

älter Island 2011
neuer Wintertour 2012

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