am Ofotfjorden
Ich freue mich riesig. Etwas, was ich mit meinem Vater in 38 Jahren nie geschafft habe, werde ich jetzt mit Johannes schon nach 6 Jahren tun: einen Papa-Sohn-Urlaub. Coole Jungs-Dinge machen, keine Mädels dabei, die nicht mehr laufen können oder wollen, und viel Zeit für die Pflege unseres Verhältnisses.
Donnerstag 28. Juli
Der Abschied in Frankfurt am Check-In fällt erwartungsgemäß schwer. Gerade Johannes scheint gerade ein wenig daran zu zweifeln, ob es eine gute Idee war, mit mir alleine auf Reisen so weit weg von zu Hause zu gehen. Paula weint kurz, und auch Melanie hat einen Augenblick lang feuchte Augen, als wir hinter der Glastür Richtung Flugsteig verschwinden. Immerhin läßt sich Jo recht schnell aus seiner gedrückten Abschiedsstimmung reißen und ablenken, als wir die große Glasfront mit Blick aufs Vorfeld des Flughafens erreichen, wo um diese Uhrzeit reger Betrieb herrscht. Am japanischen Restaurant „Mosch-Mosch“ nehmen wir schnell noch einen Imbiß zu uns, während wir auf das Boarding warten. Dieses beginnt fast eine dreiviertel Stunde später als geplant, da der Flieger bereits mit ordentlichem Delay ankam und dann auch noch erst mal gründlich gereinigt werden mußte. Die Purserette sorgt für große Heiterkeit unter den deutschsprachigen Passagieren, als sie während der obligatorischen Sicherheitseinweisung vor dem Abflug den herzerfrischenden Satz: „Bei Druckverlust fallen automatisch Sauerstoff-Flaschen aus der Kabinendecke“ von sich gibt und dann für den Rest der Ansage gegen einen Lachanfall ankämpfen muß.
In Oslo heißt es wieder mal: hetzen, denn unser Anschlußflug nach Evenes geht schon in knapp einer Stunde. Immerhin schaffen wir noch, einen Snack für unterwegs zu besorgen, den wir dann in aller Ruhe im Flieger essen können. Heute hat Norwegian mal wieder richtig tief in die Schrottkiste gegriffen und wirklich eine der ältesten noch flugfähigen Boeing 737-300 herausgekramt. Wahrscheinlich haben sie die besonders billig irgendwo abgestaubt. Der Flug vergeht aber sehr schnell, und wir haben dank des schönen Wetters tolle Aussichten enroute. In Evenes wird umgestiegen auf Mietwagen (nagelneuer Golf V mit top Ausstattung) und dann direkt nach Narvik weiter gefahren. Die Strecke dorthin ist landschaftlich sehr reizvoll – kaum zu glauben, daß ich 2009 schon mal hier war, denn damals war alles verregnet und vernebelt, da konnte man von der schönen Umgebung nix sehen.
Wie schon zwei Jahre zuvor schlafen wir wieder im Norumgaarden B&B, der ehemaligen deutschen Offiziersmesse. Heute bekommen wir den „Cato-Room“, der mir noch besser gefällt als die Dachwohnung des Zimmermädchens vom letzten Aufenthalt. Da wir morgen recht zeitig aufbrechen müssen, um die gebuchte Fähre von Skutvik nach Svolvær zu erwischen, wird das Frühstück im „Kristallsaal“ wohl leider ausfallen müssen. Der Hausherr verspricht uns als Ausgleich, Sandwiches, Getränke und etwas frisches Obst als Proviant für den nächsten Morgen im Kühlschrank zu plazieren.
Mittlerweile ist es früher Abend, als wir zu einem kleinen Erkundungsspaziergang durch Narvik aufbrechen. Auch bei sonnigem Wetter wie heute komme ich nicht umhin, zu sagen, daß mir die Stadt immer wie Bitterfeld auf 68° Nord vorkommt. Schön ist anders. Aber macht nix – unser Ziel, „Pepe‘s Pizza“ liegt nur wenige Gehminuten von unserer Unterkunft entfernt. Das Essen ist dürftig. Ich habe mit meiner Pizza voll ins Klo gegriffen, und den Hamburger mit Pommes, den sich Johannes bestellt hat, würde ich zu Hause in Deutschland wieder zurückgehen lassen. Umgerechnet 40 Euro für alles, au Backe! Wir machen uns nach dem Essen noch mal auf zu einem kleinen Stadtrundgang. Das Endziel ist die Talstation der örtlichen Seilbahn. Johannes hatte sich im Vorfeld bei der Urlaubsplanung unbedingt diesen Programmpunkt gewünscht. Übrigens der einzige Grund für den Umweg über Narvik bei der diesjährigen Anreise.
Die Kabinen der Bahn halten nie wirklich an, man muß also quasi bei Schrittgeschwindigkeit reinspringen, und schon geht‘s los. Die Fahrt endet nach etwa 5 Minuten auf knapp 400m Höhe, wo an der Bergstation eine äußerst hübsche Perle als Türöffnerin arbeitet. Nicht nur sie bietet eine prima Aussicht mit ihrem knappen rosa Top und den engsitzenden Jeans, sondern auch die Umgebung von Narvik samt wolkenlosem Himmel und tiefstehender Sonne. Wir knipsen ein paar Fotos fürs Urlaubsalbum an der Aussichtsplattform, bevor Johannes ein paar Schneefelder weiter oben entdeckt, wo wir natürlich unbedingt hin müssen. Er kann‘s kaum fassen, Schneeballschlacht bei frühlingshaften Temperaturen und dann noch eine Rutschpartie auf dem Hosenboden über den verharschten Schnee. Gegen 21:30 fahren wir wieder hinunter ins Tal, wobei uns auffällt, daß um diese Zeit noch richtig viele Leute in die entgegengesetzte Richtung unterwegs sind. Offenbar trifft man sich spät abends auf dem Narvikfjell, um die Mitternachtssonne zu genießen.
Sonnenuntergang auf dem Narvikfjell
Freitag, 29. Juli
Aua! 6 Uhr klingelt der Wecker. Leider habe ich in dem imposanten, aber viel zu weichen Himmelbett schlecht geschlafen. Ich sage nur: „Design schlägt Funktion“.
Bei der Abfahrt bemerkt Johannes, daß dies „unser erster Ausbruch“ sei. Drei sind‘s ja insgesamt, wenn man Svolvær und Oslo mitzählt. Kurz vor 7 sind die Straßen noch herrlich leer, auf der ganzen anderthalbstündigen Fahrt bis zur ersten Fährstation kommen uns nicht mal eine Handvoll Autos entgegen. Das Wetter ist wieder sehr angenehm – Sonne und ein paar Wolken. Kurz vor dem ersten Zwischenziel sehe ich auf der linken Seite eine Reihe derartig glattgeschliffener Berge, daß mir spontan der Ausdruck „polierte Platte“ in den Sinn kommt. In Skarberget müssen wir einige Zeit auf die Fähre warten, was uns Gelegenheit zu einem zweiten Frühstück gibt. Der weitere Weg nach der kurzen Schiffsfahrt führt uns über die Halbinsel Hamarøy, deren Besichtigung mir Anne Gerd ausdrücklich empfohlen hatte. Da wir bis zur Abfahrt unserer Lofoten-Fähre noch reichlich Zeit haben, unternehmen wir einen kurzen Abstecher zum Leuchtturm in Tranøy. Der Ort ist sehr abgelegen und bietet reichlich Gelegenheit für ausgedehnte Küstenwanderungen mit Blick auf die Inseln. Da man hier auch übernachten kann, nehme ich Tranøy Fyr in die Liste der nächsten Reisestationen für die folgenden Jahre auf. Gut, daß wir eine Reservierung für die Fähre von Skutvik nach Svolvær haben. Die Zufahrtsrampe ist rappelvoll, aber wir dürfen die „Fast Lane“ benutzen und sind Nummer Fünf beim Boarding. Im Restaurant auf der Fähre gibt‘s typisches Fast Food, wir entscheiden uns für „Wiener Pølse“ und Fanta. Nach dem Essen kann ich Jo zu einer halben Stunde Ausruhzeit überreden, kurz vor Erreichen der Insel Skrova muß ich ihn dann wecken, weil er, wie vermutet, ruck-zuck eingeschlafen ist.
Viel verpaßt hätte er aber nicht – der starke Westwind peitscht jede Menge Wolken über die kleine Insel. Es ist ungemütlich an Deck, und das Licht taugt nicht zum Fotografieren. Wir bleiben bis zur Abfahrt draußen und wärmen uns anschließend noch mal im gemütlichen Salon der Fähre auf. Am Zielhafen angekommen, begeben wir uns schnurstracks zu Anne Gerds Haus. Niemand ist da, und einige der Zimmer sind belegt, also drehen wir wieder um und fahren runter ins Stadtzentrum. Auweia, ist das voll! Alle (und damit meine ich wirklich alle) Parkplätze im Zentrum sind von Wohnmobilen und Touristenfahrzeugen aus aller Herren Länder belegt, uns bleibt nur das Ausweichen auf das Hafengelände. Das habe ich noch nie erlebt. Der Marktplatz ist voller Menschen, und ich frage mich, ob hier gleich irgendeine Demo stattfinden soll, so dicht gedrängt, wie die Leute hier teilweise stehen. Im Augenblick halte ich es für sehr fraglich, ob ich noch mal in der Hauptsaison hierher komme.
Wir gehen zum Kai, wo gerade zwei RIB‘s für eine Trollfjord-Safari startklar gemacht werden. Beeindruckende Startperformance. Auch Johannes ist begeistert. Weniger angetan jedoch ist er von meiner Bitte, sein Urlaubsgeld nicht gleich im ersten Souvenirshop, an dem wir vorbeikommen, zu verballern. Schade – eigentlich hatte er sich das genau so vorgestellt. Wir diskutieren ein wenig hin und her, und mir gelingt es, ihn zu überzeugen, sich alles erst mal in Ruhe anzuschauen und sich zu merken, was er gerne nach Hause mitnehmen möchte.
Wir fahren zurück zum Haus, ziehen uns um und machen uns auf zu einer kleinen Nachmittagswanderung. Zwischen Svolvær und Kabelvåg befindet sich nicht nur der relativ „eckige“ Berg Tjeldbergtind, sondern auch sein kleiner Bruder „Linken“ – ein wenig flacher, runder und somit das ideale Ziel für eine kurze Tour. Jo freut sich, daß er endlich seine neuen Wanderstöcke ausprobieren kann, läuft toll mit und klettert mit Begeisterung auf den Felsen herum. Auch vom Linken hat man eine gute Aussicht auf die Stadt, und ich schieße die ersten Bilder. Auf dem Rückweg erhalten wir einen Anruf von Anne Gerd, die uns mitteilt, daß sie jetzt zu Hause ist und sich über unsere Teilnahme an einem gemeinsamen Abendessen mit zweien ihrer Kinder freuen würde. Die verbleibende Stunde nutzen wir für einen kurzen Abstecher zur Mole am Hafen. Uns bleibt sogar noch etwas Zeit, um vom Aussichtsfelsen, der sich in unmittelbarer Nähe unseres Hauses befindet, die Ankunft des südgehenden Postschiffs zu beobachten.
Anne Gerds Kinder Julia und Marius sind ein paar Tage bei ihrer Mom zu Besuch. Julia, die in der Nähe von Trondheim in einer Blockhütte im Wald lebt und dort Teile ihrer Studienzeit verbringt, hat Elchfleisch mitgebracht, das gerade im Ofen schmort, als wir ankommen. Riecht lecker. Wir machen uns gleich nützlich und gehen in den Garten, Erdbeeren für den Nachtisch pflücken. Das Diner besteht aus Blumenkohlsuppe, Elchfleisch mit Sahnesoße und Reis sowie frischen Erd- und Blaubeeren auf Joghurt. Dieses Jahr habe ich wieder ein Foto als Gastgeschenk mitgebracht. Weil das schon daheim in unserem Bad eine Wand verschönert, habe ich das Bild „Steine am Strand von Myrland“ ausgesucht, schwarzweiß auf Leinwand. Sieht cool aus und kommt gut an. Anne Gerd ist sofort angetan von Johannes. Nach dem Abendessen tut sie ihm einen Riesengefallen und holt vom Speicher einen gewaltigen Sack voll mit Lego-Kram. Alles noch Sachen ihrer eigenen Kinder, die die Gelegenheit nutzen und gleich mal mit darin herumwühlen. Marius baut für Johannes die Teile eines kleinen Flughafens zusammen und macht sich später auch noch an das Piratenschiff. Julia betrachtet derweil versonnen ein paar kleine Blechautos, mit denen sie schon als Kind öfter gespielt haben mag…
Da Johnny auf der Fähre geschlafen hat und – auch aufgrund der ungewohnten Helligkeit – noch nicht müde ist, fahren wir noch mal runter zur Mole und begrüßen das zweite (nordgehende) Postschiff bei seinem Einlaufen in den Hafen. Johannes versucht, den alten Kahn in einem Wettrennen zu schlagen, weil das Schiff von weitem doch recht langsam schien, muß aber erkennen, daß er sich auch gegen die über 50 Jahre alte Technik der MS „Lofoten“ nicht durchsetzen kann. Zurück bei Anne Gerd, lassen wir den Abend einer Flasche Wein ausklingen, während Jo selig mit dem Berg Lego spielt, der im Wohnzimmer ausgebreitet liegt. Ich sortiere noch kurz die ersten Fotos aus, aber gegen elf gehen wir dann beide ins Bett.
Henrikfjellet bei Skarberget
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