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Andenes, Vesterålen

Freitag, 12. Juni

Heute heißt es: „Packen und Aufbruch“. Ich möchte Neuland betreten und habe deswegen bei der Planung des Urlaubs an die Woche Lofoten noch drei Tage Vesterålen und Troms angehängt. Unser heutiges Ziel soll Andenes auf Andøya sein, ca. 200 km weiter nördlich. Beim Frühstück überreichen wir unserer Wirtin die Gastgeschenke: eine Flasche Grappa di Barolo von Sibona (zur Erinnerung an alte Zeiten), ein WMF-Gemüsemesser (als Reaktion auf den Umstand, daß wir 2008 in der gesamten Küche nicht ein einziges scharfes Messer auftreiben konnten) und ein persönliches Mitbringsel, mein letztes Fotobuch der Lofoten. Anne Gerd ist darüber so begeistert, daß sie zuerst von uns gar kein Geld für die Übernachtungen annehmen will, auch weil sie ja die Woche über gar nicht zu Hause war und sich um uns nicht kümmern konnte.
Wir bestehen jedoch auf Bezahlung und einigen uns nach einigem Hin- und Hergeschiebe des Bargeldhaufens auf 50% der Rechnung. Ich verpflichte mich im Gegenzug, Anne Gerd im nächsten Jahr eine Einweisung in Photoshop zu geben und ihr vorher schon die besten meiner Lofoten-Fotos zu schicken, damit sie sich die rahmen lassen und ihre Wohnung damit ausgestalten kann. Jetzt bin ich gerührt und verspreche, ihr so schnell wie möglich schon mal ein Panorama-Foto von Reine zu schicken, das ich 2006 aufgenommen habe, und von dem noch zwei Exemplare bei mir im Keller schlummern.
Nach dem Austausch allerlei guter Wünsche starten wir Richtung Norden. Auf dem Weg zu den Vesterålen machen wir noch einmal Station in Stokmarknes, wo sich das offizielle Hurtigruten-Museum befindet. Hier bedient eine Sahneschnitte am Ticketschalter. Micha und ich sind sehr angetan von ihrer lieblichen Ausschauigkeit. Vielleicht ist sie auch die Entschädigung dafür, daß es im hauseigenen Shop (wieder mal) nur Kacke Souvenirs zu kaufen gibt. Ein paar gescheite Merchandising-Artikel ihres Landes – das hamse echt nicht drauf, die Norweger. Überall der gleiche Mist: Trollfiguren in allen Größen (häßlicher als jeder deutsche Gartenzwerg), Norwegerpullover und –strickjacken (als ob’s die nicht überall auf der Welt auch zu kaufen gäbe), T-Shirts (billigste Qualität, dazu noch mit derart häßlichen Aufdrucken versehen, daß einen jeder damit Beschenkte sofort von der Freundesliste streichen würde), Käsemesser (wer würde denn so was als typisch norwegisches Mitbringsel erkennen?), und derlei nutzloser Tand mehr. Werde diesbezüglich wohl mal eine Eingabe an das königliche Tourismusministerium schreiben müssen. Das Museum selbst ist in einer reichlichen halben Stunde durchlaufen, denn so lange hat der normale Hurtigrutenpassagier üblicherweise Zeit für einen Landgang, während sein Schiff im Hafen, gleich schräg gegenüber, festgemacht ist. Wer noch ein bißchen länger verweilen mag, kann sich auf eine Zeitreise begeben und ein historisches Postschiff, das neben dem Museum „aufgebockt“ steht, auf eigene Faust erkunden. Es handelt sich dabei um die alte „Finnmarken“, die in den 50er Jahren ihren Dienst bei der norwegischen Küstenlinie versah. Wie sich die Zeiten ändern! Sind die Schiffe der Hurtigruten heute schon zum Teil komfortabel wie Kreuzfahrtdampfer, so sieht man der alten Finnmarken doch an, daß es früher vorrangig um die Beförderung von Fracht ging, und die Passagiere wohl ebenfalls als solche angesehen wurden. Die Kabinen waren eng und spartanisch eingerichtet – ich wäre da nicht mal in der ersten Klasse mitgefahren – und für ihre Unterhaltung an Bord mußten die Reisenden schon selbst sorgen, sofern ihnen die vorbeiziehende Landschaft nicht ausreichte. Gemeinschaftstoiletten und –waschräume erinnern mich eher an eine Kaserne denn an ein Passagierschiff.
Vor der Weiterfahrt rüsten wir uns noch mit Proviant aus. Will sagen, mit Bier vom Supermarkt, das in Norwegen nur bis 16:00 Uhr verkauft werden darf. Danach wird das Regal abgeschlossen und Feierabend is‘. Unser geflügeltes Wort lautet heuer „Der Körper ist eine Hochleistungsmaschine, die immer mal wieder ‚geølt‘ werden muß.“
Da wir gut in der Zeit liegen, machen wir im „Andøya Friluftssenter“ Boxenstop auf einen Kaffee. Diese Hüttenanlage ist noch relativ neu, sehr gepflegt und überaus ansehnlich, aber in langweilige Landschaft hinein gebaut. Ein bißchen schade um die ganze Mühe. Ich wünsche den engagierten Betreibern von Herzen viel Erfolg. Und wieder mal fällt unserem geübten Auge auf, daß die leckersten Babes vom Personal entweder in der Putzkolonne oder der Küche versteckt werden. Warum nur?
Wir nähern uns Andenes. Auch auf Andøya wählen wir wieder mal die etwas längere Strecke direkt am Meer entlang. Und auch hier gibt’s schöne einsame Sandstrände, pittoreske Dörfer und grüne, runde Berge, im Gegensatz zur meist zipfelig grauen Montan-Architektur der Lofoten. Die ersten Spots werden im Navi markiert, dann können wir später in Ruhe noch mal vorbeifahren, wenn das Licht besser ist. Außerdem haben wir heute geschätzte Windstärke 30, da wackelt sogar mein schweres Stativ. Unsere Unterkunft „Fargeklatten Veita“ sieht aus wie ‚Wohnen im Museum‘. Ein Ensemble aus fünf alten, liebevoll restaurierten Holzhäusern, die durch einen großen Garten verbunden sind. Die Homepage der Betreiberin hatte einen sehr guten Fotografen, weil auf den Fotos im Internet überhaupt nicht auffällt, wie klein die Räume sind. Da wir heute die einzigen Gäste bleiben, wir können uns zwei separate Zimmer aussuchen und müssen nur eins bezahlen.
Abendessen gibt’s später im Restaurant „Sørvesten“. Nach 7 Tagen gehobener Gastronomie mal wieder Futtern wie bei Muttern, speziell die Sauce erinnert mich sehr an zu Hause. Frisch gestärkt geht’s wieder los; nach Süden, um die markierten Fotospots mal näher in Augenschein zu nehmen. Wir kommen bis nach Bleik, schießen einige Aufnahmen am Strand und brechen nach ca. einer Stunde die Aktion ab, weil der starke Wind erstens den Sand unangenehm hoch aufwirbelt und zweitens ziemlich kalt durch alle Schichten unserer Kleidung dringt. Auf der etwas ruhigeren Rückseite von Andøya gibt es einen kleinen Wanderweg zum Gipfel des bei Andenes ortsansässigen Berges, den wir mit kompletter Fotoausrüstung hochlaufen. Das heutige Wetter sorgt für coole Fetzenwolken und klare Sichten, aber der starke Wind zerrt gerade weiter oben doch sehr stark an uns, so daß die geplante Fotosession relativ kurz ausfällt. Das Licht ist sehr gut, und wir spazieren noch ein wenig durch Andenes. Die Fähre, die uns morgen zur Insel Senja bringen soll, sieht schon recht betagt aus. Könnte das kleine Schwesterschiff der „Finnmarken“ vom Hurtigrutenmuseum sein…

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Blick vom Røyken auf Bleik

 

Samstag, 13. Juni

Der Wind hat etwas nachgelassen, aber als wir morgens aus dem Fenster schauen, weht es immer noch recht heftig. Die Fährstrecke zur Insel Senja soll angeblich eine der schönsten in ganz Norwegen sein. Nun ja. Sonderlich spektakuläre Ausblicke gibt’s hier nicht, dafür aber ganz schöne Wellen. Ich habe vorgesorgt und mir kurz vor dem Boarding noch eine Dröhntablette eingeworfen, die mich jedoch schnell müde macht, so daß ich auch noch die halbe Fahrt verschlafe. Micha muß fahren, da mich die Reisepille ziemlich dösig hat werden lassen. Ich setze ich mich heute sicherheitshalber mal lieber ganztägig auf den Beifahrersitz. Von Senja sehe ich dann auch nicht allzuviel, aber das Wenige, das ich nicht verschlafe, gefällt mir durchaus. Erinnert mich ein wenig an die Gegend um Lillehammer, nur mit mehr Birken statt Nadelbäumen. Obwohl: wenn ich’s mir recht überlege, sieht es eigentlich überhaupt nicht wie Lillehammer aus. Außerdem ist die ganze Region hier auch nur spärlichst bewohnt, selbst die sonst an jeder Ecke lauernden Sommerhäuser muß man hier länger suchen. Auf der weiteren Fahrt schlafe ich immer mal wieder ein und werde erst ca. eine Stunde vor unserem Ziel Tromsø wenigstens vorübergehend halbwegs wach. Reisetabletten: Boah, Alter! Was für ein krasser Stoff!
Die Landschaft hier oben ist ein echter Kracher und läßt alte Erinnerungen an die Hardanger-Region aufkommen. ‚Hier würde es Melanie sicher gefallen‘, denke ich so vor mich hin und entwickle direkt schon einen Reiseplan für unseren ersten gemeinsamen Lofotenurlaub. In Tromsø selbst bringen wir nur schnell unsere Klamotten ins Hotelzimmer und gehen danach gleich wieder zum Shoppen in die Stadt. Während unserer Herdaktion bei Anne Gerd vorgestern ist meine Jeans kaputtgegangen, da könnte ich gut und gerne Ersatz gebrauchen.
Die Sonne scheint, die Temperaturen liegen so um die 15°C, da ist es im Stadtzentrum rappelvoll. Die Cafés haben alle Tische draußen stehen, die wiederum vollbesetzt sind. Leute ohne Ende flanieren durch die Straßen, und die Stimmung hat geradezu etwas Volksfesthaftes. Auf dem Platz vor dem größten Einkaufszentrum traue ich plötzlich meinen Ohren nicht: Eine Blaskapelle spielt doch tatsächlich den Marsch „Alte Kameraden“. Erinnerungen an den Film „Das Boot“ werden wach, und unwillkürlich wandert mein Blick zum Hafen, ob nicht vielleicht ein U-Boot der deutschen Marine gerade hier einläuft. Natürlich nicht.
Endlich finden wir auch mal einen Laden mit gescheiten Norwegen-Souvenirs. Dort decken wir uns, soweit noch Mitbringsel-Bedarf besteht, gleich ein. Auch eine neue Jeanshose bekomme ich, der Shop heißt „M.A.S.“, ist ziemlich teuer, kann dafür aber mit Tromsøs höchster Schnittendichte beim Personal aufwarten. Und das Beste: die Hübscheste von allen bedient mich. Sie hat sich aus meiner Sicht auch den Titel „Schönste echte Norwegerin der Reise 2009“ verdient. Sieht so aus, wie man sich eben ein echtes Nordland-Babe vorstellt: Groß, schlank, lange Beine, blond, blauäugig (na ja, stimmt nicht ganz, sie hat eher braune Augen).
Wenn man einen umfassenden Ausblick auf die Stadt haben möchte, dann ist das nirgendwo in Norwegen so einfach wie hier. Auf den Hausberg fährt eine Seilbahn, die einen in knapp 5 Minuten auf ca. 400 m Höhe bringt, von wo aus man eine tolle Sicht auf die umliegende Umgebung hat. Wer mag, kann auf dem weitläufigen Fjell noch die eine oder andere Wanderung dranhängen. Diverse Hütten wurden in diesem Gebiet verteilt, so daß man immer auch Gelegenheit zum Rasten findet. Viele Tromsøer nutzen die Strecke am Rand des Fjells entlang übrigens zum Joggen, die ganz harten laufen obendrein auch noch den Berg hoch und wieder runter – Respekt!
Nachdem wir von unserem Aussichtspunkt zurückgekehrt sind, statten wir der berühmten Eismeer-Kathedrale noch einen kurzen Besuch ab. Diese Kirche erhielt ihren Namen deshalb, weil die Betonplatten, aus denen sie gebaut ist, wie ineinander verkeilte Eisschollen angeordnet sind. Ein echter Leckerbissen für Architekturfotografen.
Micha und ich wollen eigentlich noch die Insel Tromsøya umrunden, auf der die Stadt liegt, die Rundfahrt verschlafe ich allerdings fast komplett. Boah, was für ein Teufelszeug, diese Reisetabletten! Fürs Abendessen haben wir einen Sushi-Laden am Hafen, in unmittelbarer Nachbarschaft des Hotels, ausgesucht. Das Essen ist lecker und, was das Beste ist, der Heimweg nur ein paar Schritte lang.
Ich bin nach dem Essen total platt, gehe ins Hotel, quetsche mir noch ein paar Stichpunkte für den Reisebericht aus dem Hirn und lege mich dann ins Bett. Ein bißchen schade für Micha ist das schon, weil er alleine noch mal losziehen muß. Dabei böte Tromsø als Universitätsstadt von allen Orten unserer bisherigen Reise sicher das interessanteste Nachtleben, das sich laut Berichten auch vor dem weit größerer europäischer Städte nicht zu verstecken braucht. Nun, dann weiß ich schon was fürs nächste Mal…

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Stavadalen, Andøya

älter Lofoten 2008
neuer Wintertour 2010

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