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Kvalnes, Vestvågøya

Mittwoch, 10. Juni

Wenn ich neue Reisegefährten mit auf die Lofoten nehme, dann gibt es eine Autotour, die ich in jedem Fall unternehmen muß: Die große Inselrundfahrt mit Endziel Reine bzw. Å auf Moskenesøya. Da mein diesjähriger Begleiter auch möglichst viele Eindrücke sammeln soll, fahren wir auf der Nebenstrecke an der Ostküste Vestvågøyas entlang. Richtig viele Fotomotive finden wir zwar nicht, können aber dafür die schöne Landschaft ganz entspannt genießen. Micha möchte auch den Ort Mortsund sehen, dessen Rorbu-Anlage im Internet ganz toll aussieht, jedoch direkt neben einer Fischfabrik liegt. Im Reisebericht 2006 hatte ich diese erhebliche Einschränkung der Atmosphäre bereits konstatiert. Aber beim heutigen Besuch sieht doch eigentlich alles ganz nett aus: die olle Fabrik ist einer moderneren Lachsfarm gewichen, viele Häuser sehen frisch renoviert aus, und vor allem riecht es heuer nicht so streng wie vor drei Jahren, auch weil die Stockfischsaison mittlerweile fast vorüber ist.
Im Hafen von Leknes haben wieder mal zwei kleinere Kreuzfahrtschiffe festgemacht, die „Funchal“ aus Portugal und die „Prince Albert II“ der Edelreederei Silversea Expeditions. Greise Passagiere irrlichtern durch die nähere Umgebung des Hafens, der so gar keinen typischen Lofotenanblick bietet. Sieht eher wie ein kleines Industriegebiet aus. Dementsprechend enttäuscht blicken die Leute dann auch drein.
Bei Vareidskardet – schon auf Flakstadøya – nehmen wir einen Anhalter mit. Es handelt sich um Marius, einen Studenten aus Oslo, der sogar schon mal in Deutschland Urlaub gemacht hat: zwei Wochen meditieren in Hessen. Irgendein Bad. Bad Langen vielleicht? Er weiß es nicht mehr. Na, hätte er sich mal lieber zwei Wochen Berlin gegeben – da hätte er was übers und fürs Leben gelernt! Weil er noch keine konkreten Weiterreisepläne hat; abgesehen von der eher vagen Aussage, daß er vielleicht nach Å oder Værøy oder aufs Festland will; nehmen wir ihn mit auf einen Teil unserer Tour. Storvatnet, Flakstad, Skagsanden, Ramberg, Hamnøy, Reine und schließlich Sørvågen, wo die Fähre nach Bodø bzw. zu den weiter südlich gelegenen Inseln Værøy und Røstlandet abfährt. Da das letzte Schiff für heute bereits am Horizont zu sehen ist, entschließt sich unser Mitfahrer, die Gelegenheit zu ergreifen und wieder aufs Festland überzusetzen. Bevor wir zum Main Event des Tages kommen, sorgen wir schon mal dafür, daß die Belohnung für die kommenden Anstrengungen gesichert ist und reservieren einen Tisch in der Gammelbua in Reine. Ich freue mich riesig, daß mich die Wirtin vom letzten Jahr gleich wiedererkennt.
Ein Snack im knuffigen „Sjømat“-Laden, wo wir Baguette mit geräuchertem Wal bzw. Lachs essen, bringt die Energie für die nun anstehende Wanderung auf den Berg Reinebriggen. 2006 habe ich ja hier wegen Höhenangst quasi auf halbem Weg nach oben verkackt, dieses Mal rechne ich mir dank der Trainingswanderungen an den vorangegangenen Tagen größere Chancen aus, den Gipfel zu erreichen. Kurz und gut: ich habe mein Ziel wieder knapp verfehlt. Und zwar um genau 5 Minuten. So lange hätte der Aufstieg zum ersten Aussichtsplateau nämlich höchstens noch gedauert. Micha versucht noch, vom Gipfel aus auf meinem Handy anzurufen, aber das habe ich dummerweise vorher im Auto gelassen, um Gewicht zu sparen. Wenn ich gewußt hätte, wie weit oben ich schon war, hätte ich die paar Höhenmeter auch noch kraxeln können. Aber ich hatte mir ja vorgenommen, nur so weit zu klettern, daß ich aus eigener Kraft zurück nach unten komme. Immerhin weiß ich jetzt, daß ich’s schaffen kann und habe beim nächsten Mal noch etwas, das ich mir vornehmen werde.
Zurück beim Auto, fahren wir weiter nach Å, schauen vom südlichsten Punkt auf die Inseln Værøy und Røst und durchstreifen ein wenig den Ort. Hierbei fallen uns sofort die überaus gepflegten und sehr großen Häuser auf. Der nächste Berg befindet sich auch nicht in unmittelbarer Nachbarschaft, so daß man in Å reichlich Sonne überall hat. Aber schon bald ist Abendessenszeit, und die Gammelbua lockt mit tollen Kreationen aus der Küche. Heute entscheiden wir uns für die Empfehlung der Chefin: Erst mal „Dreierlei von der Ente“ als Vorspeise. Danach gibt‘s gegrillten Stockfisch mit Chorizowurst, getrockneten Aprikosen, Mandeln und zarten grünen Bohnen. Ungewöhnliche Kombination, schmeckt aber vorzüglich. Da hat sich der Koch mal wieder richtig ausgetobt beim Experimentieren mit den verschiedenen Zutaten. Ein leckeres Schoko- bzw. Erdbeerdessert rundet das tolle Menü ab, und das zuvorkommende und perfekt eingespielte Bedienungsteam bekommt zum Dank von uns ein großzügiges Trinkgeld. Hier könnte ich jeden Abend essen gehen! Alles in allem ist die Gammelbua eine unbedingte Weiterempfehlung wert, und ich verspreche der Wirtin, genau dies zu tun. Ist hiermit geschehen.
Auch auf dem Heimweg richten wir unterwegs einige Fotostops ein. In Ytresand, wo der Strand dank Ebbe heute doppelt so breit ist wie gewöhnlich; in Ramberg, wo’s ein vergleichsweise günstiges Haus zu kaufen gibt [1.350.000 NOK, das könnte ich mir für später als Sommerresidenz vorstellen], und Skagsanden. Micha hat noch einen Wunsch, nämlich Nusfjord zu sehen. Wird gemacht – und heute finden wir auch die genaue Per-Eide-Fotostelle: einen Felsen oberhalb des Ortes, der sich dank der trockenen Witterung einigermaßen gut erklettern läßt. Mein fotografisches Highlight kommt aber erst ein wenig später. Der Strand von Myrland wird mir die besten Bilder des Urlaubs bescheren, auch dank des surrealen Lichts durch die Mitternachtssonne und einige dünne Schleierwolken. Genial!

Strand in Ramberg

 

Donnerstag, 11. Juni

Heute gibt es kein Programm, so daß wir uns beim Frühstücken Zeit lassen. Als wir gerade mit unbestimmtem Ziel aufbrechen wollen, steht plötzlich Anne Gerd in der Tür: braungebrannt und gutgelaunt. Kein Wunder, war sie doch gerade drei Wochen in Thailand im Urlaub. Wir setzen uns nochmal zusammen an den Frühstückstisch und quatschen eine Weile über alles mögliche. Anne Gerd will schon mal die erste Wäsche waschen, als sich herausstellt, daß die dazu bestimmte Maschine während ihrer Abwesenheit den Geist aufgegeben hat. Wir versuchen zu helfen, finden aber in der norwegischen Bedienungsanleitung nur bedingt Unterstützung und im Internet auch nicht, weil das Gerät schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Also muß unsere Wirtin doch den Techniker anrufen, der aber erst in einer Woche freie Termine hat. Na ja. Wir helfen noch schnell, den Backofen, der während des Urlaubs unserer Gastgeberin bereits in der Reparatur war, reinzutragen und anzuschließen, als uns plötzlich die (lediglich behelfsmäßig geklebte) Klappe entgegenkommt. Hier sind wir machtlos. Leider kein einziges Erfolgserlebnis trotz des versemmelten Vormittages. Für den Abend laden wir Anne Gerd – auch, weil sie kochtechnisch derzeit ja etwas eingeschränkt ist – ins „Du Verden“ zu Essen ein. Erst ziert sie sich, aber ich weiß ja vom letzten Jahr, daß sie dort zu gerne mal hingehen würde. Was das Geld für die Übernachtungen angeht, kommt sie uns preislich noch etwas entgegen: wir brauchen morgen nur 5 statt 7 Nächte zahlen. Faires Angebot. Cool.
Etwas südlich von Svolvær, in Ørsvag, gibt es eine nette Siedlung mit tollen Häusern, die, wie wir später erfahren werden, irgendeiner christlichen Sekte gehören. So was, wie in Amerika die Amish People – geschickte Handwerker, aber gesellschaftlich ziemlich rückständig. In diesem Dorf starten wir noch eine letzte kleine Wanderung Richtung Kalle. Diesmal ist die Strecke fast eben, nur ein kleiner Hügel liegt auf der Hälfte des Weges. In Hopen, dem Nachbarort, angekommen, laufen wir auf den Felsen zum Wasser vor. Wir wollen herausfinden, ob es vielleicht noch einen besseren Fotostandort gibt, um die Begegnung der Hurtigruten zu knipsen. Aber der Platz vom zweiten Tag war schon perfekt. Auf dem Rückweg zeige ich Micha noch die Stelle, wo wir letztes Jahr unsere Kanutour unternommen haben. Hier steht eine sehr gepflegte Rorbuanlage mit einigen „Hot Tubs“ draußen und einer extra Sauna-Rorbu mit eigener Badetreppe, die direkt in den Fjord führt.
Abendessen wird heute noch mal im „Du Verden“ serviert. Anne Gerd ist ganz begeistert vom Menü, der Kellner etwas verwirrt ob des Mischmasch aus Deutsch, Englisch und Norwegisch, der ihm von unserem Tisch entgegenschallt. Apropos Schall: Noch mehr Dezibel erzeugt eine Partygesellschaft, die uns bei der gestrigen Reservierung trotz Nachfrage verschwiegen worden war. An sich nicht weiter schlimm, aber zu allem Überfluß ist heute plötzlich auch noch der zweite Koch krank geworden, so daß jetzt einer alleine in der Küche die undankbare Aufgabe hat, für ca. 50 Leute (uns eingeschlossen) nahezu zeitgleich das Essen fertig zu bekommen. Der tut mir echt leid! Etwa eine Stunde später, also direkt nach unserem Hauptgang, erscheint er mal kurz an der Bar, um ein Glas Wasser zu trinken und macht einen ziemlich fertigen Eindruck. Anne Gerd stellt fest, daß unser Kellner aussieht wie Frodo aus „Herr der Ringe“. Stimmt, und er hat bereits seinen kleinen weiblichen Fanclub im Lokal sitzen, der ihn permanent mit lüsternen Blicken verfolgt. Eine ältere, bereits etwas angeschickerte Dame aus der Partygesellschaft haut ihm zudem immer mal wieder auf den Hintern, wenn er vorbeikommt. Ein Hoch auf die Gleichberechtigung! Frodo nimmt’s gelassen, wird aber von mir aus gegebenem Anlaß ermahnt, dem Koch mitzuteilen, daß der erst kollabieren darf, wenn unser Dessert fertig ist. Daraufhin grinst er, verschwindet kurz in der Küche und kommt mit dreimal „Dreierlei von der Schokolade“ zurück. Wegen der Wartezeit bekommen wir einigen Rabatt auf unsere Rechnung. Nette Geste.
Auf dem Nachhauseweg schauen wir kurz bei Elizabeth vorbei, die sich wie Bolle freut, uns zu sehen. Heute dabei sind auch ihre Tochter Diana (schnuckelig, aber nur geschätzte 1,45m groß) und Schwiegersohn Aaron (der Sohn des Autors meines Lofoten-Reiseführers, sehr sympathisch). Mit ihm mache ich für nächstes Jahr ein Treffen aus, ebenso mit Elizabeth, die fast ein wenig enttäuscht war, daß wir sie im Laufe der Woche nicht schon mal besucht haben. Sie hätte so gerne was für uns gekocht!
Immerhin spricht sie jetzt ein bißchen Englisch und ist stolz und begierig, das Gelernte auch anzuwenden. Was mir während unseres gut anderthalbstündigen Aufenthalts auffällt: wenn mir das Gesprächsthema bekannt ist, bekomme ich auch bei Unterhaltungen auf norwegisch immer mindestens den groben Sinn des Gesagten mit, oft auch einige Einzelheiten. So verschieden sind unsere Sprachen nämlich gar nicht. Ich muß mich doch mal an meinen Selbstlernkurs setzen. Wieder in der Villa Hügel angekommen, machen bei einer Flasche Wein wir eine ausgiebige Bilderschau an Anne Gerds Computer, wo sie uns zum einen ihre erste Enkeltochter zeigt und zum anderen auf meinen Wunsch viele Winterfotos der Lofoten. Die machen doch echt Lust auf eine Reise hierhin in der dunklen Jahreszeit.

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Ytresand, Moskenesøya

älter Lofoten 2008
neuer Wintertour 2010

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