
Schneemobil auf dem zugefrorenen Torne-Fluß bei Jukkasjärvi
Freitag, 7. März
Letzter voller Reisetag. Wäre eigentlich Zeit für noch etwas Action. Da wir bislang aber noch keine Rückmeldung der örtlichen SkiDoo-Verleiher erhalten haben, machen wir uns auf den Weg nach Kiruna. Dort soll es bei Avis Schneemobile auch tageweise zu mieten geben. Leider muß uns die Dame bei der dortigen Touristeninformation enttäuschen. Die einzige Möglichkeit wäre eine Firma namens Polarmaskin, aber auch da sieht es schlecht aus. Alle Motorschlitten sind bereits weg. Hätte man ja auch drauf kommen können, daß vor dem Wochenende sicher große Nachfrage herrschen wird.
Alternativprogramm: Grillen am Fluß, weil das vorgestern so viel Spaß gemacht hat. Heute wollen wir unser Feuer in unmittelbarer Nähe einer besonderen Kulisse anzünden – nämlich direkt neben dem Eishotel in Jukkasjärvi. Das Wetter ist ideal: blauer Himmel und Sonnenschein, leichter Wind. Wir bringen unser mitgebrachtes Feuerholz in Stellung, suchen noch etwas Anzündbeschleuniger, und schon geht’s los. Adrian war so vorausschauend und hat neben dem Paket Kjöttbullar einen kleinen Rost mitgenommen, auf dem wir diese auch grillen können. Sonst bliebe nur: direkt ins Feuer werfen – nicht so gut. Ein paar Aufbackbrötchen, etwas Bier und Whisky runden unseren Lunch ab. Wir sitzen direkt an der Rennstrecke für Schneemobile und Hundeschlitten und werden ordentlich unterhalten. Ein ganz klein wenig schade ist nur, daß wir leider nicht selbst fahren können. Nun ja, sicher beim nächsten Mal. Die beiden Holländer mit der extrem teuren Fotoausrüstung sind auch wieder da und knipsen sinnloses Zeug. Hundepupillen vermutlich, denn aus drei Metern Entfernung mit dem “Teleskop” auf einen Husky anzusetzen – was soll dabei schon rauskommen? Und wenn das Tier doch bloß mal still hielte!
Nach dem Essen teilen wir uns auf. Adrian und Lukas wollen eine Exkursion ins nahegelegene samische Freilichtmuseum unternehmen. Micha und ich ziehen – trotz des üppigen Eintrittsgeldes – eine Besichtigung des Eishotels vor. Wenn wir schon mal hier sind… Außerdem sieht es jedes Jahr unterschiedlich aus. Keine Ausgabe gleicht der anderen. Wir werden nicht enttäuscht. Gerade die sogenannten Art Suiten geben tolle Fotomotive ab. Eine Übernachtung in einem dieser Design-Kühlschränke käme uns übrigens ab 450 Euro. Pro Person. Klar.
Im Foyer des Hotels steht eine Einhornskulptur, die Micha extra für meine Tochter auf Bild bannt. Ich habe meine Kamera im Auto gelassen und assistiere dem Meister beim Fotografieren.
Anschließend treffen wir uns alle wieder im Café. Adrian zuliebe, der für seine Familie ein paar schwedische Spezialitäten besorgen soll, halten wir auf dem Rückweg noch einmal am Supermarkt in Kiruna. Danach heißt es: Rückfahrt. Schließlich wollen wir noch Koffer packen und die Hütte aufräumen. Und etwas zum Abendessen wäre auch nicht schlecht. Mir rumpeln zwar noch die Kjöttbullar von heute mittag im Bauch herum, aber ein Elchburger im Pub von Abisko klingt schon ziemlich verlockend. Dazu ein lecker Bier, und schon bin ich zufrieden. Nordlichter gibt’s heute nicht mehr, weil der Himmel bedeckt ist. Also lassen wir’s ruhig angehen. Zurück in der Hütte packen wir unsere Koffer und beginnen mit dem Aufräumen. Dann brauchen wir morgen früh nicht so zeitig aufzustehen. Gute Nacht!
Art Suite im Eishotel Jukkasjärvi
Samstag, 8. März
Aua im Bauch läßt mich zeitig wach werden. Verdammte Kjöttbullar! Oder war es doch der mächtige Elchburger, bei dessen Zubereitung ein komplettes Tier draufging? Egal, dann esse ich eben heute weniger. Viel Zeit zum gemütlich Frühstücken bleibt uns eh nicht, weil wir Adrian wieder nach Evenes zum Flughafen bringen müssen. An sich nicht das Problem, aber über Nacht hat es ordentlich geschneit, und für den fünfzig Kilometer langen Streckenabschnitt zwischen Björkliden und Narvik sind weitere heftige Schneefälle mit Sturmböen angesagt. Die Passage kann trotz Allradantriebs durchaus zeitkritisch und nicht ganz ungefährlich werden. Adrian und ich kennen bereits die Situation, daß man auf den hiesigen Straßen bei solcher Witterung teilweise nur so weit sehen wie man spucken kann. Schneeverwehungen sind auch nicht ohne. Lappland ist nichts für Pussies.
Ich dränge darum auf zeitige Abfahrt. Schnell noch die Rechnung beglichen. Gut, daß Ruben heute keinen Rezeptionsdienst hat. Sonst stünden wir vermutlich am Mittag noch hier. Aber dank einer hervorragenden Gruppenleistung kommen wir eine Stunde vor dem geplanten Estimate vom Hof.
Bis zur Riksgränsen ist die Fahrt zwar mühselig, doch immerhin kommen wir halbwegs gut voran. Kein Verkehr außer ein paar versprengten Einheimischen. Doch je höher wir kommen, um so heftiger weht der Wind den Schnee über die Straße. Stellenweise muß ich auf Fahrradgeschwindigkeit abbremsen. Kurz vor dem Björnfjell, durch das die Grenze zu Norwegen verläuft, haben wir auf einmal zwei deutsche Wohnwagengespanne vor uns. Völlig irre, bei dem Schneesturm! Ab jetzt kriechen wir erst einmal einige Kilometer hinter denen her, bis sich der Formation Leader der Camper dazu entschließt, rechts ran zu fahren und uns passieren zu lassen. Man kann jetzt nun nur noch erahnen, wo die Straße verläuft. Am besten hält man sich leicht rechts der Mitte zwischen den roten Begrenzungsstangen für den Winterdienst. Unterwegs treffen wir auf liegengebliebene LKW. Das ist sicher kein Spaß, bei dem Wetter hier stundenlang auszuharren, bis man aus der Schneewehe gezogen wird.
Irgendwann haben wir die E10 am Rombaksfjord erreicht. Ab hier wird das Wetter besser. Obwohl: habe ich besser gesagt? Nun, schneien tut’s nicht mehr, aber der Wind weht mit Orkanstärke und der Regen kommt von der Seite. Beim Aussteigen in Evenes müssen wir nach vorn gebeugt laufen, um gegen die heftigen Böen anzukommen. Das kann für Adrian ja ein sehr unterhaltsamer Flug werden! Immerhin wird er wieder im Cockpit mitfliegen, und da vorne lassen sich die zu erwartenden heftigen Turbulenzen am ehesten aushalten. Wir anderen sehen zu, daß wir schleunigst nach Narvik kommen.
Wir residieren im neuen Rica-Hotel, das mir schon im letzten Jahr sehr gut gefallen hat. Deswegen habe ich mir dies auch als Abschluß der Reise gewünscht. Unsere Zimmer liegen im 11. Stock des architektonisch recht ausgefallenen Gebäudes. Sieht aus wie ein großer verglaster Trichter. Die Aussicht auf die Stadt können wir später noch genießen – erst mal haben Lukas und Micha Hunger. Wir suchen einen Imbiß im nahegelegenen Einkaufszentrum auf. Ich halte mich zurück. Erstens verrichtet bei mir das Kjöttbullar-Elchburger-Konglomerat noch ganze Arbeit, und zweitens will ich mir etwas Appetit für das Abschlußessen im sehr guten Hotelrestaurant aufheben. Ich gehe zurück aufs Zimmer und nehme erst einmal eine heiße Dusche. Die tut gut.
Kurz vor Ende der Reise folgt noch etwas Kultur: wir besuchen das Kriegsgedenkmuseum, das nur einen Steinwurf von unserem Domizil entfernt liegt. Bahnbrechende neue Erkenntnisse über die deutsche Besatzungszeit während des zweiten Weltkrieges gewinnen wir heute zwar nicht, aber eine solide Zusammenfassung der historischen Ereignisse ist auch nicht zu verachten.
Die Zeit bis zum Abendessen verdöse ich im Bett. Im Restaurant “Tind” wird qualitativ Hochwertiges aufgetischt. Ich beschränke mich heute auf zwei Vorspeisen – Artischockensuppe mit Kabeljau sowie Königskrabbe vom Grill. Lecker. Den ersten “Verteiler” trinke ich noch direkt am Tisch, die restlichen dann in gemütlicher Runde in der Sky Bar im 14. Stock. Bei ein paar Kaltgetränken wird noch einmal ein ausführliches Resümee der Reise gezogen, bevor wir uns kurz vor Mitternacht zurückziehen. Ich schlafe bei offenen Vorhängen, mit herrlichem Blick auf das Lichtermeer der Stadt, relativ schnell ein. Und dank eines der komfortabelsten Hotelbetten aller Zeiten auch richtig gut durch. Ein schöner Abschluß unserer Wintertour.
Sonntag, 9. März
Ein letztes Highlight wartet auf uns mit dem opulenten Frühstücksbuffet. Mir geht es inzwischen wieder gut. Der Elch ist verdaut, auch wenn er sich lange gewehrt hat, der zähe Bursche. Aber gegen die geballte Ladung Fernet Branca, die ich mir gestern Abend an der Hotelbar reingezogen habe, hatte er letztlich doch keine Chance. Ich habe jedenfalls Appetit und lange am Büfett ordentlich zu. Falls ich mal wieder nach Narvik komme, werde ich auf jeden Fall wieder in diesem Hotel übernachten.
In Evenes ist das Wetter immer noch stürmisch, auch wenn wir heute – im Gegensatz zu gestern – von der Mietwagen-Rückgabe-Station aufrecht zum Terminal laufen können. Am Flughafen Harstad/Narvik ist gerade richtig was los, denn in der Umgebung findet eine großangelegte Militärübung statt, an der auch zahlreiche Flugzeuge beteiligt sind. Die will ich sehen. Schnell durch die Security durch, wo derzeit die Jugendbrigade “17.Mai” mit ein paar sehr ansehnlichen Norwegerinnen Dienst hat. Die freuen sich ebenfalls über ein paar gutaussehende Typen wie uns, und so wird natürlich jeder mit großer Sorgfalt kontrolliert. Vom Warteraum aus sehe ich, wie gerade vier UH-1 aus einer AN-124 entladen werden. Ansonsten ist alles hier, was Rang und Namen hat: Jumbo, Hercules, Transall, Orion usw. Bald kommt auch unsere kleine SAS-Boeing angerollt, und wir fliegen über Oslo zurück nach Hause.
Flughafen Harstad/Narvik (Evenes)

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