Kallebukta

Dienstag, 11. September

Heute ist wieder ein Wandertag. Und das Wetter sieht vielversprechend aus. Ich werde recht früh von der Sonne geweckt und stehe ganz leise auf, weil Papa noch schläft oder zumindest vor sich hin döst. Darum nutze ich die Gelegenheit und nehme für Anne Gerds Internetseite ein paar Fotos vom Inneren ihres Hauses auf. Speziell die Gästelounge im Obergeschoß kommt lichtdurchflutet toll zur Geltung.
Aus unserem Zimmer dringt immer noch kein Lebenszeichen, also hinterlasse ich eine Nachricht auf dem Küchentresen und fahre mal eben schnell zum Bäcker nach Leknes. Die Filiale hat zwar noch nicht offiziell geöffnet, als ich dort eintreffe, aber die Verkäuferin erkennt mich noch von gestern wieder und reicht mir die begehrten Brötchen. Daheim angekommen, ist der Vater schon aufgestanden und deckt den Frühstückstisch. Auch den Duft von Kaffee kann ich schon von Weitem riechen.
Vor uns liegt ein langer Ausflugstag. Da ich seit gestern einschätzen kann, wie fit mein alter Herr noch ist, habe ich für heute eine der schönsten leichten Wanderungen auf den Lofoten herausgesucht – den Kaisermarsch. Kaum irgendwo sonst hat man nach einer so kurzen Wegstrecke eine dermaßen beeindruckende Aussicht auf drei für für Nordnorwegen typische Motive: spitze Berge, Fjorde und mit etwas Glück auch das Postschiff der Hurtigruten, das am Nachmittag durch den Raftsund gefahren kommt.
Auch wenn Anne Gerds neues Haus auf Vestvågøya für die meisten Ausflüge auf den Lofoten ideal gelegen ist, so werden die Anfahrtsstrecken für alle Ziele rund um den Raftsund – und dazu gehört der Kaisermarsch – doch recht lang. Fast 2,5 Stunden, sagt das Navi. Aber aus der Not kann man ja bekanntlich auch eine Tugend machen, und so verbinden wir die notwendige Autofahrerei mit ein wenig Sightseeing entlang der Strecke. Zeit haben wir ja genug. Ein erster Abstecher führt uns in die malerische Bucht von Kalle auf Austvågøya (Panoramafoto unten). Wenn ich mir ein Sommerhaus auf den Lofoten leisten könnte, dann eins von denen, die hier in Sichtweite des Berges Vågakallen hinter den Klippen liegen. Im Sommer kann man hier ganz gut baden, sofern man 10°C für eine ausreichende Wassertemperatur hält. Ansonsten beliebt: Camping am breiten Sandstrand oder eine Wanderung zur abgeschiedenen Bucht Bremvika. Heute beschränken wir uns auf einen kurzen Spaziergang über die Klippen, bevor wir weiter fahren.
An der Straße etwas östlich von Svolvær – in Sildpolnes- steht eine kleine weiße Kirche auf einer Halbinsel mitten im Fjord. Und seit zwei Jahren gibt es hier auch eine schicke neue Aussichtsplattform. Da müssen wir halten und mal schauen gehen. Das erste Bild auf dieser Seite stammt vom Parkplatz des Aussichtspunktes. Auf dem weiteren Weg Richtung Digermulen kommen immer wieder schöne Landschaften an uns vorbei, aber keine echten Fotomotive. Mir ist das ganz recht, dann haben wir später mehr Zeit für die Wanderung. Timing ist bei dieser Tour nämlich nicht ganz unwichtig, wenn man den maximalen WOW-Effekt erzielen will. Dazu gleich mehr.
Kurz vor zwei Uhr nachmittags erreichen wir Digermulen. Das Auto parken wir am alten und mittlerweile geschlossenen Tante-Emma-Laden. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht ein verwitterter Holzpfahl mit der Inschrift „Kaiservarden“. Hier beginnt mitten im Ort der Kaisermarsch mit einem zunächst recht flachen Wegabschnitt über Weideland. Bald jedoch steigt der Weg moderat an und führt durch lichten Nadelwald, immer mal wieder mit tollen Ausblick-Felsen, auf denen man super rasten kann. Ab der Hälfte der Strecke geht es richtig steil bergan, die Vegetation wechselt abermals: Birkenwäldchen müssen durchquert werden, bevor auf dem letzten Viertel vor dem Ziel der Baumbewuchs komplett aufhört und den Blick auf das weitläufige Plateau des Digermulenkollens freigibt, auf dessen Gipfel die Wanderung endet.
Wir tragen uns erst einmal ins Gipfelbuch ein und blättern ein wenig darin herum, weil wir noch etwas Zeit vertrödeln müssen. Gerade ist es 16 Uhr durch, und jeden Tag gegen halb fünf kommt durch den Raftsund zu unseren Füßen die südgehende Hurtigruten gefahren. Vor Digermulen biegt das Postschiff dann rechts ab und fährt in den engen Trollfjord ein, an dessen Ende es auf dem Hacken kehrt macht, um abermals an unserer Position vorbei in Richtung Svolvær weiter zu dampfen. Wir haben also noch eine halbe Stunde Zeit, bevor hier Entscheidendes passiert. Eine gute Gelegenheit, uns einen windgeschützten Platz zu suchen – hier zieht es heute wie Hechtsuppe – und dort etwas zu snacken. Proviant und Wasser haben wir reichlich dabei. Als zusätzlichen Schutz gegen die steife Brise ziehen wir die Regenklamotten über die Wandersachen. Das hilft.
Pünktlich erscheint am Ende des Raftsundes die Silhouette eines der größeren Hurtigruten-Dampfer. Ein paar Minuten später kann ich durch das Fernglas erkennen, daß es sich um mein Lieblingsschiff „Finnmarken“ handelt. Wir warten seine erste Vorbeifahrt an Digermulen ab und machen uns dann auf den Weg zurück. Auf halbem Weg nach unten erreichen wir den obersten der einladenden Rastfelsen, wo wir die letzten Vorräte aufessen, während die Finnmarken noch einmal an uns vorbeizieht. Herrlich!
Die Rückfahrt vergeht wie im Flug. Heute kochen wir mal wieder selbst und besorgen dazu in Svolvær die nötigen Zutaten. Große Überraschung, als wir wieder im Haus eintreffen: Anne Gerd ist da und wie immer ziemlich beschäftigt. Brötchen bäckt sie, für die Trauerfeier am Freitag. Da die Hausherrin ziemlich im Streß zu sein scheint – ebenfalls nichts Ungewöhnliches – lassen wir sie lieber in Ruhe und freuen uns aufs Wochenende, wenn sie vom Festland wiederkommt. Dann hoffentlich erleichtert, daß alles vorbei ist. Als mein Vater ins Bett geht, setze ich mich nochmal eine Weile in die Küche und unterhalte mich mit Anne Gerd. Aber viel ist aus ihr heute nicht herauszubringen, die Anspannung ist zu groß. Also wünsche ich Ihr eine reibungslose Feier und verabschiede mich weit nach Mitternacht. Kurz vor dem Einschlafen höre ich noch gedämpftes Haustürklappen und dann Autogeräusche, also fährt unsere Herbergsmutter wieder zurück aufs Festland. Was für ein Streß!
 
Platzhalter für Foto

im Raftsund mit der MS „Trollfjord“

Mittwoch, 12. September

Tag 3 unseres Männerurlaubs wird eher ein Ausruhtag, weil wir in den vergangenen zwei Tagen viel mit dem Auto herum gefahren und einige Kilometer (und Höhenmeter) gewandert sind. Nachdem wir also gestern mit dem Kaisermarsch die Aussicht von oben auf die Meerenge Raftsund genießen konnten, wollen wir heute die umgekehrte Perspektive erleben: vom Postschiff der Hurtigruten aus.
Mit dem Frühstück können wir uns heute richtig Zeit lassen, denn wir müssen erst um 12 Uhr den Bus in Svolvær erreichen. Der bringt uns zur Fähre Fiskebøl – Melbu. Nach deren Überfahrt auf die Insel Hadseløya geht es wiederum mit dem Bus bis Stokmarknes, wo wir heute die MS „Trollfjord“ benutzen, um wieder zum Ausgangspunkt der kleinen Rundfahrt zu gelangen.
Als das Schiff um 14 Uhr anlegt, gehen wir zunächst in die Cafeteria zum etwas verspäteten Lunch. Bis zur Abfahrt vergeht knapp eine Stunde, bis dahin sind wir auch mit dem Essen fertig. Gut gestärkt umrunden wir erst einmal das Schiff auf allen Außendecks. Der Wind über dem Hadselfjord frischt gerade ein wenig auf, also retirieren wir in den Salon. Dort kann man es aushalten. Weil ich nach dem Mittagessen im Bordrestaurant erst mal eine Stunde Siesta halten muß, habe ich doch glatt die eigentliche Einfahrt durch die Raftsundbrücke verpaßt. Aber nachdem ich gestern bis 2 Uhr nachts noch mit Anne Gerd zusammengesessen und erzählt hatte, wollte ich doch etwas Schlaf nachholen. Dafür kann ich jetzt – frisch ausgeruht – das tolle Wetter und die schöne Aussicht umso mehr genießen.
Gegen 16 Uhr passieren wir den Digermulenkollen, auf dem wir gestern saßen, und drehen abeam Ulvøya hart nach Steuerbord, um den Trollfjord anzufahren. Bis auf Paula und Oma kennen ja alle dieses Schauspiel, wenn sich der dicke Kahn durch den schmalen Eingang zwängt, hinten im Fjord auf der Stelle wendet und dann wieder vorsichtig hinaus fährt. Immer wieder spannend.
„Es reißt auf!“ Meine Familie kennt diesen Spruch, der bedeutet, daß sich irgendwo eine Lücke in den Wolken gebildet hat. Das Wetter wird also immer besser. Bei der Einfahrt in Svolvær ist es dann schon fast gar nicht mehr auszuhalten, weil sich auf der Außenseite der Inseln Wolken gebildet haben, durch die dann die Abendsonne spektakulär hindurch strahlen kann.
An der Stelle auf dem rechten Foto vollziehen wir vernünftigerweise Fahrerwechsel, weil ich mich wegen der vielen Lichtspiele gar nicht richtig auf die Strecke konzentrieren kann. Johannes und Melanie könnten den Ort kennen: Die E10 zwischen Svolvær und Henningsvær, unterhalb des Berges Glomtind (kurz vor dem Tunnel), wo rechts die alte Paßstraße abzweigt. Etwa 20 Minuten später entdecken wir über dem Olderfjord noch einen tollen Doppelregenbogen. Aber als wir eine Stelle erreichen, wo man mal eben kurz halten und fotografieren kann, ist er schon wieder verschwunden. Die Abendsonne tut es ihm gleich. Als wir das Haus erreichen, hat sich der Himmel wieder zugezogen. Allerdings sieht die Wettervorhersage für morgen so schlecht nicht aus, da werden wir mal wieder eine Wanderung – diesmal in der Nähe des Hauses – unternehmen. Freitag soll es regnen, da besuchen wir dann das Wikingermuseum in Borg. Bislang haben wir mit der Witterung aber echt Glück gehabt. Temperaturen zwischen 10 und 15 Grad tagsüber lassen sich echt aushalten. Am Sonntag sind wir bei übrigens bei Mona, einer Freundin von Anne Gerd, in Svolvær zum Essen eingeladen. Praktisch als Dankeschön für meinen thailändischen Abend vom Februar. Ich freue mich drauf. Vielleicht ist ja ihre super-schnittige Tochter Ranveig mit von der Partie…

Sonnenuntergang über Henningsvær und dem Berg Vågakallen

älter Wintertour 2012
neuer Wintertour 2013

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