
Sakrisøy Rorbuer
Donnerstag, 22. Juni
Um kurz vor 4 Uhr endet meine Nachtruhe. Als ich das Fenster schließen will, bemerke ich, daß draußen die Sonne scheint. Was für ein Licht! Also schnell aufgestanden und losgefahren zum Knipsen. Im Morgenrot wirkt Hamnøy besonders gut. Auch Sakrisøy erwische ich im schönen Licht. Anschließend fahre ich nach Å und habe den Ort ganz für mich allein. Leider zieht gegen 7 Uhr Bewölkung auf, so daß ich heimkehre und mich noch mal für zwei Stunden ins Bett lege.
Da das Wetter heute nicht so rosig ist, besuchen wir das Wikingermuseum in Borg auf Vestvågøya. Wie schon im „Celtic Park“ in Irland vor 3 Jahren gilt auch hier das Gesetz der Museen: Der Umfang und die Qualität der Ausstellungs-Teile sind umgekehrt proportional zur Länge der Wege dazwischen. Wir verbringen hier deutlich mehr Zeit mit Laufen als mit Schauen. Nach einem kurzen Mittagssnack in Leknes geht‘s zurück zur Hütte, wo sich das Wetter für den Rest des Tages so richtig schön einregnet. Also ist eher ruhiges Programm angesagt, ich plane gleich mal schon die nächsten Ausflüge vor.
Heute gönnen wir uns ein richtig fettes Abendmahl im Restaurant „Gammelbua“ in Reine. Hier bedienen nur junge Schnitten, und erst das Essen selbst! Fast ausschließlich lokale Produkte, zu wirklich köstlichen norwegischen Gerichten veredelt, das hätte ich hier oben nicht erwartet. Ein ehrliches Lob geht an den Koch, und die „Gammelbua“ merke ich mir als ein kulinarisches Highlight für meine nächsten Reisen. Sensationell!
Überraschenderweise kommt gegen 21 Uhr die Sonne doch noch mal hinter den Wolken hervor. Schnell hinüber nach Flakstad gefahren, könnte ja gute Motive geben. Überall locken wunderbare Lichtspiele, aber richtig zum Fotografieren taugt das heute alles nicht. Also packe ich die Kamera wieder weg, setze mich ein wenig an den Strand und schaue der Brandung beim Branden zu. Auch mal ganz nett, einfach nur das großartige Naturschauspiel zu genießen, das sich hier jeden Abend an der Westküste bietet. Zu sehen, wie der Wind Wolkenfetzen vor sich her treibt, die wiederum zwischen den Inseln mit der Sonne spielen und dabei atemberaubende Lichteffekte auf die Landschaft projizieren, ist einfach unbeschreiblich schön. Dafür ließe sich sicher auch meine Frau begeistern. (Notiz ins Reiseplanungstool: „Melanie-Begeisterungs-Programm, Punkt 38a: Sonnenuntergang bei Flakstad anschauen, von wegen der Romantik usw.“).
Am späten Abend vollbringe ich noch eine gute Tat und nehme einen Anhalter mit: Marc aus einer kleinen Stadt bei Sydney, Tramper auf Europatour. Er will an die Südspitze der Lofoten, und ich biete ihm an, ihn bis Å zu fahren. Seinen ursprünglichen Plan, hier zu zelten, kann er allerdings bei dem Regen mal glatt vergessen. Der Platz versinkt im Schlamm, und der Wind weht heute ganz ordentlich. Weil Marc ganz cool ist und das Wetter echt übel, biete ich ihm an, bei uns im Wohnzimmer auf der Couch zu schlafen. Dankend nimmt er an, wir unterhalten uns bei heißer Suppe und einer Tasse Kaffee bis spät in die Nacht…
Selfjord, zwischen Moskenesøya und Flakstadøya
Freitag, 23. Juni
Heute steht für Dirk und mich Individualprogramm auf dem Plan. Ich unternehme eine Tagestour: zunächst per Bus nach Stokmarknes auf Hadseløya, der südlichsten Insel der Vesterålen, die wiederum nördlich der Lofoten liegen. Von dort aus fahre ich mit der Hurtigruten zurück nach Svolvær. Am Hafen in Stokmarknes eine nette Überraschung: Während des Sommers steht am Kai eine junge Dame in Lofotentracht, die die Reisenden mit norwegischen Liedern unterhält. Ob sie von der Hurtigruten-Gesellschaft engagiert wurde oder nur eine Studentin ist, die sich in den Ferien ein paar Kronen dazu verdient, erfahre ich leider nicht mehr, denn ein Signalhorn ertönt, und ich muß aufs Schiff.
Die M/S „Trollfjord“ schnurrt zunächst zügig durch den Hadselfjord, der die Lofoten von den Vesterålen trennt, und ich habe es mir auf dem Achterdeck bequem gemacht, wo ich die Nachmittagssonne genieße. Leider hält das Vergnügen nicht allzulange vor, da nach einer Stunde Fahrzeit, kurz vor der Einfahrt in den Raftsund, dunkle Wolken aufziehen, die dann auch noch feinen Nieselregen ablassen. Zum Glück gibt‘s den Panorama-Salon über zwei Decks, wo man eine Wahnsinnsaussicht hat, besonders, wenn man ganz oben sitzt. Im Trollfjord, dem Höhepunkt der heutigen Reise – etwa 2 Kilometer lang und an der engsten Stelle nur 100 Meter breit – sind die Felswände zum Greifen nahe, und als ob das nicht schon spektakulär genug wäre, wendet das Schiff am Ende des Fjords. Auf engstem Raum und praktisch auf der Stelle. Auf dem Weg nach Svolvær noch gibt‘s noch einen Snack in einem der Bordrestaurants. Abends fahre ich müde und glücklich nach Reine zurück.
die Insel Ulvøya im Raftsund
Samstag, 24. Juni
Über Nacht hat der Wind aufgefrischt. Selbst vor unserer Hütte, die auf der geschützten Rückseite einer kleinen Insel liegt, gehen ganz schöne Wellen an Land. Wir entscheiden uns für eine Wanderung auf der Nordseite von Moskenesøya. Einmal rund um den Måltinden, einen dieser zipfelförmigen Berge. Ziel ist die Bucht Kvalvika. Leichte Schwierigkeitsstufe laut Reisführer, dazu die Aussicht auf karibische Strände. Was will man mehr?
Das erste Viertel des Weges kommen wir gut voran. Aber schon bald erschweren Geröll, Gestrüpp und Nieselregen die weitere Wanderung. Der schmale Pfad wird rutschig, insbesondere auf den größeren Geröllfeldern muß man höllisch aufpassen. Die Aussicht auf die Strände ist toll, leider können wir sie wegen des Niederschlags und des recht heftigen Windes nicht so richtig genießen. Dafür gibt‘s heute ganz ordentlichen Wellengang. Bei Ebbe kann man über ein breites Band aus Sand zwischen den zwei durch eine Felszunge geteilten Strandabschnitten durchkommen. Wegen der Flut und starker Brandung bleibt uns dieser Weg heute leider versperrt. Wie geht‘s jetzt also weiter? Wir müssen uns an Seilen und Ketten über die Klippen hangeln, was durch die Nässe erschwert wird – die Felsen sind stellenweise glatt wie Schmierseife. An der untersten Kante muß man zudem den richtigen Zeitpunkt zwischen zwei Wellen abpassen und etwa 30m über den Sand rennen, um ohne nasse Füße die nächste Klippe zu erreichen, an der man dann wieder empor klettern kann. Am zweiten Strandabschnitt weiden einige Schafe, von denen eins Dirk hartnäckig mit zwei Schritten Abstand (decreasing) verfolgt. Nach kurzer Zeit wird klar, wieso. Es handelt sich um eine Schäfin, deren Lamm einige Meter entfernt ganz allein herum steht. Da muß sie natürlich den Beschützer rauskehren. Ich habe mich vorsichtshalber schon mal mit einer Holzlatte und einem Stein bewaffnet, um eingreifen zu können, falls Mama Schaf doch noch die Contenance verliert.
Bald darauf geht es wieder steil bergan, bevor sich der Pfad über Stock und Stein wieder ins Tal schlängelt. Jetzt können wir schon die Schotterpiste sehen, an deren Ende unser Auto geparkt steht. Aber der Weg ist noch lang. Über eine Stunde müssen wir durch den stechenden Regen laufen, bevor wir wieder am Selfjord in Marka, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung, angekommen sind.
‚Stalin‘-Foto am Markavatnet, Moskenesøya

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