hoch über Nordnorwegen

2016 habe ich einmal ausgesetzt, aber im Februar dieses Jahres geht es endlich wieder im Winter hoch in den kühlen Norden. Diesmal darf meine Tochter Paula mit, die ich in der Karnevalswoche von der Schule befreit habe. Diesmal verbringen wir unsere Zeit komplett in Tromsø, wo wir neben etwas Action hoffentlich auch ein paar Polarlichter erleben können. Außerdem möchte ich meine neue Kamera, eine Fuji X-T2, ausgiebig unter realen Bedingungen testen.

Samstag, 25. Februar

Dank Melanies Vorbereitung und Unterstützung gab es in diesem Jahr Null Streß am Packtag. Paula hat gestern mitgeholfen und die Checkliste beim finalen Verstauen der Klamotten und Ausrüstung abgehakt. Unsere Taschen sind erstaunlich leicht. 16 und 17 Kilo, da hätte man fast sogar Ryanair fliegen können. Aber bei deren Flughafen-Nomenklatur wäre man statt im geplanten Tromsø vermutlich in Hammerfest gelandet und müßte anschließend noch eine halbe Tagesreise mit dem Bus auf sich nehmen, um irgendwann am Wunschziel anzukommen.
Wie bei jeder Wintertour müssen wir auch heute relativ zeitig aufstehen, und das, obwohl unser Flug erst um halb zehn startet. In Frankfurt vollziehen wir den Abschied zügig und wider Erwarten nicht allzu tränenreich. Vermutlich genau deswegen. Kurz und schmerzlos. Da Polly und ich Business-Class-Tickets haben, können wir der Lounge am Flughafen noch einen kurzen Besuch abstatten. Wie mir die Meilenkönige unter meinen vielfliegenden Arbeitskollegen bereits im Vorfeld angekündigt hatten, fehlt dieser Einrichtung jeder Glamour. Es ist rappelvoll, aber Paula und ich finden noch zwei Plätze an der Bar und genehmigen uns einen frischen Obstsalat. Unbedingtes Auf-Vorrat-Essen ist heute nicht notwendig, denn gleich im Flugzeug wird noch ein warmes Frühstück serviert.
Am Gate 60 im neuen Kranich-Terminal haben sich bereits viele Leute eingefunden, und mir fällt gleich der Monitor auf, der die akzeptierten Standby-Passagiere auflistet. Oha! Da scheint sich ja die Strecke für Lufthansa wirklich zu lohnen. Und Tatsache: Die Boarding-Aufforderungs-Durchsage bestätigt den restlos ausgebuchten Flug. Nach allerlei Umhergekurve auf dem Frankfurter Rollfeld erreicht unser Bus den auf einer Außenposition geparkten Airbus 319. Leider muß ich beim Einsteigen feststellen, daß der Jumpseat im Cockpit bereits durch eine junge Dame in DLH-Uniform besetzt ist. Naja, macht nix.ALT Bis wir nach dem Schließen der Türen jedoch überhaupt losrollen, vergehen etwa 20 Minuten. Kein gutes Zeichen. Und richtig: der Käpt’n meldet sich. Die Warnlichter für Generator-Failure und Low Oil Pressure am rechten Triebwerk hätten aufgeleuchtet, und so könne man auf keinen Fall losfliegen. Also wird ein Techniker bestellt, der sich die Malaise mal ansehen soll. Während wir auf die Reparatur warten, meldet sich eine neue Cabin-Crew zum Dienst. Die bisher anwesenden Damen hatten morgens schon einen Einsatz und würden mit dem langen Hin-und Rückflug nach und von Tromsø ihre maximal erlaubte Boardzeit überschreiten.
Etwa 2 Stunden nach der geplanten Startzeit geht es endlich los. Die Reise verläuft über weite Strecken so ruhig, daß man fast glauben könnte, in einem Kabinen-Mockup für das Crewtraining zu sitzen. Das, was man aus dem Fenster sehen kann – nämlich blauen Himmel oben und weiße Suppe unten – bleibt fast während des gesamten Fluges unverändert, und auch unsere Maschine selbst rollt nur ganz minimal. Auf der Höhe von Sandnessjøen in Mittelnorwegen endlich klart es etwas auf, und sofort kommt auf unserer Seite die Küste mit einer der bekannteren Landmarken, der Bergformation Siv Søstre (Sieben Schwestern) in Sicht. Alles tief verschneit. Richtiger Winter eben. Eine solch erfreuliche Aussicht bleibt uns bis kurz vor Tromsø erhalten.
Hier hängen ein paar mehr Wolken am Himmel, aber die Sonne scheint trotzdem ab und zu durch. Beim Deboarding fällt sofort positiv auf, wie entspannt die Norweger in Sachen Sicherheit sind. Unser Flugzeug steht auf einer Außenposition, da alle Gates belegt sind. Und wo in Deutschland schon der Bus bereit stünde, damit ja niemand auch nur ein paar Schritte unbeaufsichtigt über das Rollfeld latscht, wartet am Ende der Treppe nur eine Angestellte des Flughafens, die den ersten (!) Passagieren den Weg zum Terminaleingang zeigt, der sich etwa 200 Meter von uns entfernt befindet. Die anderen Paxe werden schon das Richtige tun und den Leithammeln hinterher laufen. Niemand stört sich daran, daß ich Fotos mache und hierfür ab und zu mitten auf der Fahrbahn der Service-Autos stehen bleibe.
Nach dem Abholen des Gepäcks nehmen wir ein Taxi zu unserer Unterkunft, das unsere imaginäre Reisekasse um 30 Euro erleichtert, wovon 10 bereits für das Schließen der Türen draufgehen. Wir fahren durch tief verschneite Straßen und erreichen nach wenigen Minuten unser Haus. Die Ferienwohnung ist klein, aber sehr gemütlich eingerichtet und vor allem sehr durchdacht ausgestattet. Alles, was man an Spezial-Equipment für Winterreisen brauchen könnte, ist hier vorhanden und kann kostenlos ausgeliehen werden. Angefangen von Astro-Boots und polartauglichen Overalls bis hin zu Stirnlampen und Spikes für die Schuhe. Hier sind Profis am Werk. Unser Vermieter Bjørn, der uns auch den Mietwagen zur Verfügung stellt, erscheint eine halbe Stunde später zur Übergabe der Autoschlüssel. Ein kurzer Schnack, dann fährt er wieder zur Arbeit.
Paula und ich wollen als Erstes einige Lebensmittel für die Woche einkaufen. Ein paar Sachen liegen schon im Kühlschrank. Im Supermarkt „Rema 1000“ wird einmal der Wagen vollgeladen, 150 € bitte sehr! Heute Abend essen wir mit zwei Tiefkühlpizzas vergleichsweise günstig, bevor wir in den nächsten Tagen die örtlichen Restaurants ausprobieren wollen.
Weil die Polarlichter-Vorhersage für heute nur sehr geringe Aktivität anzeigt, gehen Paula und ich nach dem Abendessen eine Runde spazieren. Wir laufen durch unser verschneites Viertel und landen nach einer Viertelstunde am Ufer des Tromsøysundes. Hier würde ich gerne ein paar Probeaufnahmen mit meiner neuen Kamera schießen. Meine Tochter bekommt die Stirnlampe angebappt, und dann tappen wir im Dunkeln über den felsigen Strand bis zur Wasserkante vor. Die ersten Bilder sind sehr vielversprechend. Meine kleine Assistentin beleuchtet mit ihrem Equipment einige Steine, die vor uns liegen, damit nicht alles in dunkler Suppe verschwimmt. Nach einer halben Stunde packen wir wieder ein und gehen nach Hause zurück. Während ich dort die ersten Fotos aussortiere, schaut Paula einen Film von der mitgebrachten portablen Festplatte auf dem großen Fernseher. Gegen 22 Uhr gehen wir schlafen.

 

Rodeln im Folkeparken

Sonntag, 26. Februar

Am nächsten Morgen müssen wir beide erst einmal ausschlafen, schließlich sind wir im Urlaub und nicht auf Dienstreise. Ein Blick aus dem Fenster lädt zu Freiluft-Aktivitäten ein, aber vorher sollten wir vielleicht was frühstücken. Eine kurze Inspektion der Küche schließt mit der Bewertung: Top Ausstattung! Alles da, was man zum niveauvollen Kochen braucht, und weit über FeWo-Durchschnitt. Ein kurzer Blick in den Mülleimer bzw. den Recycling-Cluster läßt mich staunen. Bislang dachte ich immer, wir Deutschen wären Weltmeister im Mülltrennen. Aber gegen das, was unsere Gastgeber hier abziehen, sind wir nur Kreisklasse. Bei uns daheim findet man üblicherweise 3-4 verschiedene Behälter: Papier, gelber Sack, Bio und Restmüll. Hier gibt es noch zwei weitere: Tetra-Packs und Plastiktüten. Dazu kommt noch Glas, aber das kennen wir von zu Hause auch. Norwegen gewinnt den Müll-Trenn-Contest mit 7:5.
Nachdem wir uns in aller Ruhe gestärkt haben, schaut Vermieter Björn auf dem Weg zur Arbeit kurz bei uns vorbei. Er will wissen, ob wir zufrieden sind und alles haben, was wir brauchen. Daumen hoch läßt Wikinger strahlen. Ich erzähle ihm, daß wir nebenan in den Folkeparken gehen wollen und frage, ob wir bei ihm einen Schlitten ausleihen können. Wir dürfen aus dem großen Fuhrpark seiner Kinder aussuchen, was uns gefällt. Paula entscheidet sich für eine Art Turnhallenmatte, auf der man zwar sehr bequem sitzen, aber kaum gescheit steuern kann. 10 Minuten Fußweg sind es bis zum gar nicht mal so kleinen Rodelhang in Tromsøs westlichster öffentlicher Grünanlage. Meine Tochter und ich sind heute morgen die einzigen Leute in der tiefverschneiten Parklandschaft. Und ich muß zugeben, daß das Rodeln mit der Matte gerade wegen der eingeschränkten Steuermöglichkeiten besonders Spaß macht. Wenn nur nicht das ständige Hochlaufen zum Startpunkt wäre!
Das Mittagessen fällt heute recht klein aus, da wir am Abend noch in der Stadt essen gehen wollen. Wir starten zu einer kurzen Stadtrundfahrt, um die Lage und vor allem die Preise verschiedener Restaurants zu erkunden, die ich bereits zu Hause „gebookmarked“ hatte. Unser Auto stellen wir Downtown ab, wo der komplette Parkraum nur gegen saftige Gebühren benutzt werden kann. Umgerechnet 8 Euro pro Stunde, die dazu notwendigen norwegischen Münzen wiegen ein knappes Pfund. Und wer hat schon immer so viel Klimpergeld dabei?
Aber wofür gibt es schließlich Handy-Apps? Das großfressige Logo des lokalen Anbieters prangt ja überall. Blöd nur, daß diese Parking-App im deutschen Store von Google Play aufgrund von geopolitischen Beschränkungen nicht heruntergeladen werden kann. „Einmal mit Profis arbeiten!“ denke ich und habe einen Hals wie ein Pferd, weil ich nun immer einen Klumpen Gold mit mir herumschleppen muß. Denn trotz aller sonstiger Modernität der norwegischen Infrastruktur können etwa drei Viertel der hiesigen Parkautomaten weder meine Kredit- noch die EC-Karten lesen.
Nach dem wegen Kleingeldmangels recht kurz ausgefallenen Stadtbummel fahren wir auf eigene Faust zur Husky-Farm, wo wir am Nachmittag eine Hundeschlittentour geplant haben. Normalerweise holen einen sämtliche Anbieter geführter Outdoor-Aktivitäten mit einem eigenen Shuttlebus im Stadtzentrum von Tromsø ab. Da ich jedoch weiß, wo sich unser Ziel befindet, brauchen wir diesen Service heute nicht.
Bei der Huskyfarm angekommen, erwartet uns bereits Besitzerin Hege, die ich noch von 2015 wiedererkenne. Kurz nach uns treffen auch die anderen Gäste ein, und alle werden wie für eine Antarktis-Querung eingekleidet, wodurch sich unser Körperumfang mindestens verdoppelt. Danach folgt eine kurze Einweisung durch die deutschsprachige Tourleiterin. Die die in Englisch vorgetragenen Instruktionen werden in Kurzform nochmal für Paula übersetzt. Nett!
Die Hundeschlitten sind vorbereitet, und die anmutigen Tiere warten bereits sehnsüchtig auf die Tour. Paula hat sich auf der Sitzfläche unseres Gefährts in eine dicke Decke eingemummelt, ich stehe als Musher hinten auf den Kufen. Kurz vor dem Start schwillt das Gebell der Hunde auf infernalische Lautstärke an, um dann abrupt zu verebben, als sich unser Schlitten in Bewegung setzt. Jetzt sind die Huskies in ihrem Element und ziehen uns durch eine traumhafte Winterlandschaft, die aussieht wie gemalt. Ein tolles, fast meditatives Erlebnis, das durch die intensiven Farben des Sonnenuntergangs noch gesteigert wird. Paula genießt ebenfalls die etwa anderthalbstündige Fahrt, nur am Ende wird ihr trotz der dicken Verpackung doch etwas arg kalt. Wir verzichten darum sogar auf den Snack zum Kaffee, der im Anschluß an die Tour im Basecamp serviert wird und fahren nach dem Füttern der Hunde und einem Foto mit unserem Gespann relativ zügig wieder nach Hause.
Dort gönnt sich die völlig durchgefrorene Polly erst einmal heiße Dusche. Nachdem auch ich mir das Hundearoma vom Körper gespült habe, machen wir uns stadtfein für unser Abendessen im O’Learys Pub. Die Hütte ist heute abend rappelvoll, denn im TV läuft das Top Spiel der englischen Premier League. Fräulein Hühn möchte Fleisch essen, denn sie hat richtig Kohldampf und wählt darum ein 250g Rib-Eye-Steak, das sie dann auch komplett verputzt. Ich nehme im Andenken an die erste Wintertour mit meinem Sohn Johannes den Burger des Hauses. Weil es aber hier so voll und laut ist, machen wir uns recht bald nach dem Essen wieder auf den Heimweg und schauen in unserer Ferienwohnung einen Film von der mitgebrachten Festplatte. Dazu gibt’s Totenflak-Chips (nur wegen des Namens gekauft) und Fanta. Gegen 23 Uhr endet der zweite Urlaubstag.

mit dem Hundeschlitten durch Kvaløya

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