28 Feb 2014 Wintertour 2014, Teil 1
Samstag, 1. März
Da sich ihre Tochter mitsamt den Enkelkindern derzeit auf dem Festland aufhält, hat Anne Gerd viel Zeit, die sie mit uns verbringen kann. Der Plan für heute: am Morgen ein wenig Sightseeing und mittags dann Treffen auf der Insel Moskenesøya zur Kvalvika-Rundwanderung. Lukas, Micha und ich halten auf unserem Weg dorthin an diversen Fotospots auf der zweitkleinsten Lofoteninsel Flakstadøya. Insbesondere der Storfjordvatnet und der nahegelegene Berg Stjerntind sind im Winter ein sehr ergiebiges Fotomotiv. Bis Nusfjord schaffen wir es heute nicht mehr, aber an der Kirche in Flakstad und am Strand von Ramberg legen wir doch noch zwei kurze Stops zum Knipsen ein. Ziemlich windig ist es heute, nichtsdestotrotz sind eine ganze Reihe Fotografen in Ramberg versammelt, um darauf zu warten, daß die tiefstehende Wintersonne um den Stjerntinden herumgeflogen kommt und den Strand in weiches Nachmittagslicht taucht. Aber soviel Zeit haben wir heute nicht und machen uns darum schon nach 10 Minuten wieder auf den Weg, zu unserem Startpunkt unserer heutigen Wanderung in Marka am Selfjord, der die Inseln Falkstadøya und Moskenesøya trennt.
Diesmal sind wir mit zwei Autos unterwegs, so daß wir das letzte, 5 Kilometer lange Stück entlang der Straße später nicht laufen müssen. Echte Erleichterung, denn das nervt ganz schön. Bei der heutigen Wanderung mit von der Partie sind wieder Svein-Tore, dann noch ein weiterer Wanderfreund namens Reidar mit Hund und außerdem noch ein anderer Gast des B&B: Johannes aus Österreich, der an Multipler Sklerose leidet, diese Krankheit aber beneidenswert tapfer erträgt. Er möchte gerne aktiv bleiben, solange es eben geht und versucht sich heute an dieser Tour. Die ist zumindest im ersten Teil nicht besonders steil, jedoch über weite Strecken ziemlich vereist, so daß wir nur langsam vorwärts kommen. Johannes kämpft sich mit unsicheren Schritten, aber mit Unterstützung von Anne Gerd durch das Birkenunterholz, das einen großen Abschnitt des Weges bewächst und heute die Passage in Verbindung mit dem Eis enorm erschwert. An einer alten Schutzhütte – nach etwa einem Drittel der Strecke machen wir Rast und beraten, wie es weitergehen soll, denn der nun vor uns liegende Abschnitt ist erstens noch steiler, und zweitens muß man unten von der Bucht Vestervika nach Nordvika auf einer Art Klettersteig über die Klippen gelangen. Denn unser „Tidometer“ sagt uns, daß wir bei unserer Ankunft am Strand noch lange keine Ebbe haben werden. Johannes trifft die einzig richtige Entscheidung und kehrt mit den Norwegern wieder um, während Lukas, Micha und ich die Tour fortsetzen – allerdings aufgrund der fortgeschrittenen Stunde ohne Lagerfeuer-Rast am Strand, sondern an einem Stück durch. Schließlich wollen wir noch im Hellen über den ziemlich steilen und vermutlich ebenso vereisten Pfad zurückgehen.
Nach dem Aufteilen der Gruppe geht es nun zu dritt deutlich schneller voran, auch dank des zunächst noch einmal nur leicht ansteigenden und gangbaren Pfades. Dieser verläuft sich jedoch kurz vor dem Bergrücken, den wir überqueren müssen, im ewigen Eis, weil hier die Sonne im Winter niemals hinkommt. Also ist Vorsicht geboten – auch beim nun folgenden steilen Abstieg zur Bucht Vestervika. Wie zu erwarten, lassen Gezeitenstand und Brandung eine Überquerung direkt unten am Wasser nicht zu. Der Klettersteig ist auch vereist, so daß uns für die Passage zur Bucht Nordvika nur der schmale Pfad weit oben am Steilhang bleibt, wenn wir nicht den ganzen Weg wieder zurück laufen wollen. Wir erreichen schließlich den einsamen Strand und das eigentliche Ziel, eine allein aus allem möglichen Strandgut gebaute Hütte, in der 2012 zwei Studenten ein halbes Jahr lang, im Rahmen eines Uni-Projektes, gehaust haben. Wir rasten hier nur kurz, lassen das mitgebrachte Feuerholz für die nächsten Einsiedler da und beginnen dann mit dem Rückmarsch über das steilste Wegstück der gesamten Tour. Gut, daß wir auf dem zweiten Bergrücken im Hellen ankommen, denn der nun folgende Abstieg hinunter zum Selfjord ist total vereist. Nach einer knappen Stunde erreichen wir unseren clever geparkten Mietwagen und trinken erst einmal eine Sturzbierschorle – denn leider ist das, was in Norwegen in normalen Supermärkten unter dem Begriff „Bier“ verkauft wird, diesen Namen nicht mal ansatzweise wert.
Immerhin sind die dort angebotenen Lebensmittel nicht schlechter als bei uns zu Hause und nur geringfügig teurer. Der Faktor 3 wird sich im weiteren Verlauf der Reise noch als guter „Pi-mal-Daumen-Multiplikator“ herausstellen, gerade wenn man Preise für Nahrung vergleicht.
Aber heute brauchen wir uns darum nicht allzu große Gedanken zu machen, denn wir haben vor, mit den Resten von gestern und ein paar ohnehin im Kühlschrank unserer Wirtin vorhandenen Grillwürsten am See hinter dem Haus zu grillen. Dazu noch ein paar Aufbackbrötchen, die wir heute Morgen gekauft haben und: tataa! – das obligatorische Feierabendbierchen. Naja, die dünne Plörre halt. Isbjørn heißt es und stammt von der in Tromsø beheimateten Brauerei Mack, die sich damit rühmt, die nördlichste der Welt zu sein. Unser heutiges Getränk schmeckt wie mit Eisbärenpipi verdünnter Gerstensaft, daher vielleicht der Aufdruck. Dank reichlich Feuerholz aus der Garage gelingt es uns schnell, ein ordentliches Knäck zu entfachen. Ich kann es wieder mal nicht erwarten und versuche die erste Wurst „flame-grilled“ zuzubereiten. Gibt gleich einen Tadel von Anne Gerd – wir sollen ja nicht an Krebs verrecken. Also warten, bis wir etwas Glut erzeugt haben, und dann erst die Pølser drüber gehalten. Wilco! Zur Überbrückung gibt es Ofenkartoffeln mit Salzbutter sowie Fischsuppe mit Brötchen. Johannes setzt sich auch dazu, und so wird es ein netter Ausklang dieses langen Reisetages.