
14 Mrz 2012 Wintertour 2012
Mittwoch, 15. Februar
Auch der zweite Reisetag ist vollgepackt mit Action. Vormittags findet an einem gefrorenen Wasserfall im Abiskojåkka der Eiskletter-Kurs statt. Guide Fredrick erklärt uns zunächst Ausrüstung und die richtige Technik, bevor sich Dirk und ich selbst am Eis versuchen können. Wir sind heute die einzigen Teilnehmer und haben dementsprechend viel Zeit, um – immer per Seil gesichert – den Wasserfall über verschiedene “Routen” zu erklimmen. Gar nicht so leicht, sich mit zwei spitzen Äxten einen Halt ins Eis zu schlagen, an dem man sich dann hochziehen kann. Jeder von uns schafft zwei Aufstiege, während der jeweils andere fotografiert. Nach der Pause mit heißen Getränken versuche ich noch eine dritte Runde, aber mir steckt der gestrige Ski-Tag noch in den Armen. Also wieder runter, noch ein paar Fotos geschossen, und dann zurück zur Station, weil wir am Nachmittag ja noch mehr Programm auf der Agenda stehen haben. Nicht daß wir noch hetzen müssen, sind ja im Urlaub. Wir bekommen im Shop noch einen heißen Kaffee und ein paar Kekse, die wir als Ersatz-Mittagessen in der gemütlichen Lounge der Station verzehren.
Schwedisch Lappland kann im Winter mit einer ganz besonderen Touristenattraktion aufwarten: dem Eishotel am Fluß Jukkasjärvi. Knappe zwei Stunden Fahrzeit laut Navi, das kriegen wir gerade noch unter, bevor wir uns heute abend wieder in der Abisko Mountain Lodge zum Essen einfinden müssen, an welches sich die Auffahrt zur Aurora Sky Station anschließen soll. Nach einem kurzen Snack zum Mittag geht’s los, zunächst für etliche Kilometer am Ufer des Torneträsk entlang nach Kiruna, und von dort aus noch mal eine Viertelstunde Richtung Osten. Die Landschaft unterwegs ist faszinierend, aber etwas monoton. Zum Fotografieren jedenfalls taugt sie nicht besonders.
Wäre der Titel “Bitterfeld des Nordens” nicht schon an Narvik vergeben, stünde mit Kiruna noch ein weiterer geeigneter Anwärter darauf bereit. Weithin sichtbar sind die rauchenden Schlote und die riesigen Abraumhalden der Minen, wo schon seit über 100 Jahren Eisenerz gefördert wird. Naja, schön ist anders.
Etwa 25 Kilometer östlich von Kiruna liegt das Eishotel, direkt am Fluß Jukkasjärvi. Jedes Jahr wird es im Herbst an derselben Stelle von neuem aufgebaut und bleibt bis zum Frühjahr stehen, wo es dann einfach wegschmilzt. Das aktuelle trägt die Seriennummer 22 und ist tagsüber für Besucher – gegen Zahlung eines üppigen Eintrittspreises – geöffnet. Der Aufbau des Mega-Iglus ist eigentlich in jeder Saison gleich: es gibt neben Funktionsräumen wie Bar, Gästelounge und Aussichtsterrasse (auf dem Dach) und den normalen, sagen wir mal: eher zweckmäßig eingerichteten Zimmern auch die sogenannten “Art Suites”, wo sich Künstler aus aller Welt der Innenarchitektur gewidmet haben.
Das Design dieser Suites ändert sich jedes Jahr. Coole (!) Räume. Mein Favorit ist heute das Zimmer mit der Nummer 335 “Kraken’s Lair”, das ganz in Blau gehalten und mit ganz vielen kleinen Lampen sehr stimmungsvoll beleuchtet ist. Aber richtig gut schlafen könnte ich bestimmt in keinem der hiesigen Gemächer. Dafür sind sie einfach zu kalt, und etwas müffeln tun sie leider auch – was wohl an den über die Eisbetten ausgebreiteten Rentierfellen liegt, die der besseren Wärmeisolierung für die Schlafgäste dienen.
Seit kurzem wirbt der schwedische Tourismusverband mit der Aussicht auf Polarlicht für die Gegend um Abisko. Dafür hat man auf dem Nuolja die “Aurora Sky Station” errichtet, die einen phantastischen Blick über den Torneträsk, Lapporten und das umliegende Gebiet bietet. Um die Bergstation komfortabel und auch im Dunkeln sicher erreichen zu können, wird abends für einige Stunden noch mal der Sessellift eingeschaltet. Wir haben für heute zwei Plätze gebucht, denn die maximale Personenzahl, die pro Abend auf den Nuolja hochfahren darf, ist aus Sicherheitsgründen auf 70 begrenzt, und an den vergangenen Tagen waren schon alle Slots weg. Obwohl wir bereits sehr warme Kleidung tragen, legt uns der Liftführer nahe, doch noch die bereitliegenden Polar-Overalls drüber zu ziehen. Ein guter Tip, wie sich wenig später herausstellt, denn die Bergfahrt dauert, auch wegen der kurzen Sicherheitseinweisung für jeden Fahrgast beim Einsteigen, über eine dreiviertel Stunde. Sonst kommt man bei -20°C schon gut angefrostet oben an. Vor der Abfahrt lautet noch die obligatorische Frage “Canon or Nikon?”, und auf die (einzig richtige) Antwort “Canon” erwidert der Liftführer: “Allright, then I’ll be still your friend when you return.”
Während sich die eisigen Temperaturen unten im Tal bei Windstille noch relativ gut aushalten lassen, ist es hier oben doch recht ungemütlich. Ständig wehen feine Schneekristalle durch die Luft und dringen in die Ritzen der Bekleidung. Mein Stativ muß ich mit dem Körper vor dem Wind schützen, damit meine Bilder nicht allzusehr verwackeln. Dazu rennen ständig irgendwelche Honks mit Taschenlampen durchs Bild, die ihre Kameras offensichtlich nicht im Dunkeln bedienen können. Bestimmt Nikonbesitzer. Die können einfach nichts richtig…
Nach anderthalb Stunden habe ich genug Fotos, und wir fahren vor dem zu erwartenden Massenansturm auf den Lift wieder ins Tal hinab. Diesmal fast ohne Stocken, und auf der gut zwanzigminütigen Fahrt bekommen wir noch mal eine tolle Lichtshow geboten.
Zurück in der Station der Schock: Aus dem Zimmer wurden während unserer etwa zweieinhalbstündigen Abwesenheit mein Laptop und mein Smartphone (die sich zum Aufladen auf dem kleinen Schreibtisch befanden) sowie mein Ehering und etwas norwegisches Reisegeld geklaut. Geklaut! Hier in Schweden! Ich fasse es nicht: in einem Land, das ich neben Norwegen für das sicherste der Welt gehalten hatte, kommen meine Sachen abhanden. Mein bis dahin heiles Skandinavien-Bild bekommt einen ordentlichen Knacks weg. Auch die Rezeptionistin Sara, der ich am nächsten Morgen meinen Fall schildere, ist total schockiert. So etwas ist hier noch nie vorgekommen. Nach der Anzeige bei der schwedischen Polizei spreche ich mit dem Manager der Station, der sich um die Klärung der Versicherungsfrage kümmern will. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.