Lofoten 2008

Wie eine große Patchwork - Familie

10 Jun 2008 Lofoten 2008

Sonntag, 18. Mai

 

Anne Gerd hat kurz vor dem Frühstück einen Anruf ihrer Tochter Mari Mette erhalten, daß sie ganz dringend vorbeikommen soll, weil’s ihr nicht so gut geht. Dumm nur, daß das Töchterlein auf dem Festland wohnt, und die Reise dorthin etwa 6 Stunden dauert. Richtig Lust hat unsere Wirtin gerade nicht darauf, und so fällt es uns leicht, sie zu überreden, doch erst am Abend zu fahren. Den Tag wollen wir noch für eine gemeinsame Outdoor-Aktivität nutzen. Da wir zwar bewölkten Himmel, aber kaum Wind haben, entscheiden wir uns für eine kurze Kajaktour in der Ørsvåg-Bucht, unweit von Svolvær. Anne Gerds Kumpel Jan Erik hat sich angeboten, uns zu begleiten, weil er ein zweites Boot hat und uns die richtige Paddeltechnik beibringen kann. Er ist amüsiert darüber, wie dick eingepackt wir bei geradezu sommerlichen Temperaturen von 7 Grad Celsius daher kommen. Wir: mindestens Dreischicht-Zwiebeltechnik plus Regenkleidung und dicke Schuhe. Er: kurze Hose, barfuß und T-Shirt mit Weste. Ein echter Nordmann eben…
Nach einer kurzen Einweisung werden die Kajaks zu Wasser gelassen, und wir können uns mit ihnen schon mal anfreunden, während Anne Gerd und Jan Erik noch die Ausrüstung in ihren Booten verstauen. Mir ist ein bißchen mulmig, denn das Kajak ist nicht etwa offen, sondern man kommt nur durch ein relativ kleines Loch oben rein und wieder raus. Dies wird, sobald man drin sitzt, noch mit einer dicken Regenplane abgedichtet, die ich nur mit viel Kraft drauf- und probeweise wieder ab bekomme. Was passiert, wenn ich das Gleichgewicht verliere und mit dem Kahn umkippe, darüber wage ich lieber gar nicht nachzudenken.
Und die Kiste wackelt! Aber relativ schnell habe ich ein Gefühl dafür, wie ich sitzen muß, um mich einigermaßen sicher zu fühlen. Die Ørsvåg-Bucht sieht von oben betrachtet aus wie ein großes Ahornblatt mit 5 Zacken. Der Hafen ist in einem davon, und wir wollen im Lauf des Vormittags alle fünf abfahren. Los geht‘s! Wir durchqueren zusammen den ersten Zacken, dann geht es immer an der Uferlinie den ganzen „Blattrand“ entlang. Eine gute Stunde später, in der letzten Teilbucht, teilt sich dann die Gruppe. Jan Erik und Andreas wollen noch raus auf den Vestfjord zu einer der vorgelagerten Inseln paddeln und diese umrunden. Sven und Anne Gerd entscheiden sich für eine gemütliche Rücktour. Ich schließe mich der ersten Gruppe an, nehme mir aber vor, bei zu hohen Wellen umzukehren. Und siehe da: sobald man die Bucht verläßt, schaukelt es ganz schön. Ich lasse die beiden anderen ziehen und begebe mich auf eigene Faust auf den Rückweg. Nun bin ich ganz allein, und mir wird wieder etwas mulmig, weil mir niemand helfen kann, falls ich umkippe. Also fahre ich dicht am Ufer am Außenrand der Bucht zurück. Zwischendurch verheddere mich immer wieder im Seetang oder laufe auf Felsen auf, von denen ich mich jedes Mal mühevoll wieder herunter manövrieren muß. Und die Strecke zieht sich! Schätzungsweise eine Stunde bin ich schon allein unterwegs, und mir werden langsam die Arme schwer, da taucht um die Ecke endlich die Hafenbucht auf. Jan Erik kommt mit seinem Kajak vorbeigepaddelt und motiviert mich noch mal für das letzte Stück bis zum Ziel. Zehn Minuten später: endlich wieder fester Boden unter den Füßen. Jetzt nur schnell alle Ausrüstung und die Boote auf die Autos verteilen und dann ab nach Hause. Jetzt habe ich Hunger!
Auf dem Rückweg nach Svolvær halten wir in Kabelvåg, wo wir am Anleger eines Hotels Picknick machen. Zurück daheim, packt Anne Gerd schon mal ihre Sachen. Ihre Tochter hat sie bei einem erneuten Telefonat darum gebeten, mindestens eine Woche dort zu bleiben. Die Stimmung ist gedämpft. Nach einem kurzen Abendessen verabschieden wir uns von unserer Herbergsmutter und beschließen, uns alle im Herbst in Berlin bei Holger und Andreas zu treffen. Sven und ich begeben uns noch mal hinunter zum Hafen, wo später die M/S „Trollfjord“ von Norden her einläuft. Heute probieren wir mal eine andere Stelle aus. Ein weiter weg gelegener Felsen, windgeschützt, mit einer Bank zum Sitzen und traumhafter Aussicht auf die Inseln Skrova, Lille Molla und auf das gegenüberliegende Festland. Auf dem Fußweg dorthin kommt man an alten Bunkeranlagen vorbei, hier sind noch Reste von alten Hafengeschützen zu sehen. Sollte ich noch mal allein nach Svolvær kommen, werde ich eine Expedition in die Katakomben unternehmen. Kommt Melanie mit, gibt‘s Händchenhalten auf der Bank.
Da Holger und Andreas vor zwei Tagen in Reine das Essen unnötigerweise bezahlt haben, laden wir sie heute ein ins „Anker Brygge“, eines der besseren Restaurants von Svolvær. Unser absoluter Top-Favorit, das „Du Verden“ am Hafen, wo der norwegische Alfons Schuhbeck kocht, hat leider in der Vorsaison geschlossen. Das „Anker Brygge“ zehrt von seinem Ruf – wo immer es den auch her haben mag. Sicher, das Ambiente ist toll: ein altes Speicherhaus am Hafen, vollgepackt mit allerlei Antiquitäten, und super hergerichtet. Aber Optik ist nicht alles: Unsere Bedienung hat leider wieder gewohnt niedriges Karlsruher Niveau. Die Kellnerin wirkt überheblich, kommt nicht aus den Puschen und peilt nix. Dafür ist sie aber immerhin hübsch anzuschauen. Über die Qualität des Essens sei nur so viel gesagt: Selten zuvor hatte ich das Gefühl, für 40 Euro ein Hauptgericht vorgesetzt zu bekommen, daß ganz offensichtlich mit Maggitüten gekocht wurde. Wir verzichten auf das angebotene Dessert und machen uns schleunigst auf den Weg zum Raftsund, wo die M/S „Nordkapp“ durchfahren soll. Wir wollen diesmal deren Einfahrt in den Trollfjord fotografieren. Dazu habe ich extra den vermuteten besten Standort vor dem Urlaub in mein Navi eingetragen. Da sich die Hurtigruten ein wenig verspätet, haben wir genug Zeit, uns einen guten Aussichtspunkt zu suchen. Um 23:30 Uhr fährt das Schiff in den Trollfjord, kommt 20 Minuten später direkt vor uns vorbei und dampft in den Raftsund davon. Wir also: Alarmstart, rasen zur zweiten Position direkt am Wasser und bekommen den Dampfer gerade gut aufs Bild. Wieder alles schnell eingepackt und weitergefahren zur Raftsundbrücke. Sven muß ganz schön Gas geben, denn das heutige Schiff ist moderner und somit schneller als die alte M/S „Lofoten“ vor einigen Tagen. Aber wir kriegen ein tolles Bild, weil sich unmittelbar hinter der Brücke innerhalb von Minuten ein heftiges Unwetter gebildet hat, in das der Kahn direkt hinein dampft. Wenige hundert Meter weiter wird er von der Wolke verschluckt. Sieht beeindruckend aus.