
10 Jun 2008 Lofoten 2008
Donnerstag, 15. Mai
Sven und ich unternehmen heute eine Hurtigruten-Tagestour. Die gleiche wie schon vor zwei Jahren. Heute ist es die M/S „Nordlys“ – ein mittelgroßes Postschiff, gebaut 1994 bei der Volkswerft in Stralsund. So relativ jung der Dampfer, so betagt sind seine Passagiere. Geschätztes Durchschnittsalter an Bord: 100 Jahre. Der reinste Greisverkehr. Aber egal, ich will ja eh nur Landschaft sehen. Das Wetter ist gut, das Licht fast ein wenig zu grell zum Fotografieren. Nach der Einfahrt in den Raftsund gönnen wir uns einen kleinen Lunch in einem der Bordrestaurants. Zur Wende im Trollfjord sind wir wieder zurück auf Deck und verfolgen das Manöver live an der frischen Luft. Cool!
Mit meinen Berichten von der Raftsund-Passage habe ich beim Abendessen Andreas angefixt, der Sven und mich spontan zum Mitternachts-Shooting begleiten will. Holger fährt auch mit, und schon ist sie wieder komplett – die Herrenreisegruppe aus Berlin. Wir sind wegen diverser Unterwegshalte etwas zu spät dran für den Trollfjord, erwischen aber die M/S „Lofoten“ an einem anderen sehr fotogenen Ort mitten im Raftsund, den ich gleich im Navi markiere. Als sie an uns vorbei ist, packen wir im Eiltempo unsere Ausrüstung zusammen, fahren erst einige Minuten neben dem Schiff her und dann wie die Irren davon, um noch vor dessen Eintreffen an der Raftsundbrücke zu sein. Mittlerweile hat sich die Dämmerung über die Lofoten gelegt. Es ist halb eins, der Himmel ist auf der einen Seite schon dunkelblau, nach Westen hin geht dieses in ein tiefes Orangerot über. Eine Lichtszenerie, wie man sie mit derart intensiven Farben wohl nur hier oben im Norden findet. Ich bin sehr ergriffen und versäume fast noch, mein Equipment aufzubauen, derweil die „Lofoten“ langsam durch den Raftsund auf die Brücke zu dampft. Holger und Sven winken von oben herunter, und trotz der achzig Meter, die uns von der Wasseroberfläche trennen, erkennt uns die Besatzung wieder, winkt und hupt noch einmal. Hier ist ein perfekter Standort fürs Foto: Ein altes Postschiff in einem Fjord, über dem der Mond scheint und in dessen absolut ruhigem Wasser sich das ganze Motiv auch noch perfekt spiegelt. Kaum unter der Brücke durch, zieht das Schiff einsam seine Bahn in einen traumhaften Sonnenuntergang hinein. Einige Zeit später sehen wir den Dampfer noch einmal im Hadselfjord, aber da ist er schon zu weit weg. Das Bild von vorhin an der Raftsundbrücke ist heute eh nicht mehr zu toppen.
Freitag, 16. Mai
Da morgen Feiertag ist und wir den Festumzug anschauen wollen, unternehmen wir heute eine lange Tagestour: bis runter nach Reine, ganz im Süden der Lofoten. Sven hatte sich das gewünscht, die Berliner Jungs kommen auch mit, weil sie unbedingt einmal Å sehen wollen. „Å sehen und sterben…“
Der Weg dorthin zieht sich, auch wegen der vielen Fotostops, die wir unterwegs immer wieder einlegen. Üblicherweise frage ich: „Wollt Ihr dies oder das noch sehen? Sind nur 5 Minuten Umweg.“ Meistens wird mindestens eine halbe Stunde daraus, aber alle haben Spaß dabei. Wir halten also am coolen neuen Rastplatz auf Vestvågøya, in Borg, Vareidskardet, in Vikten, Bø, am Storvatnet, und schließlich in Nusfjord (das wir dank der noch nicht begonnenen Hauptsaison ganz für uns alleine haben). Und dann noch in Flakstad, Skagsanden, Ramberg …
Während der Pausen amüsieren sich Sven und Holger jedesmal über Andreas und mich, wie wir voller Elan auf die Suche nach dem besten Motiv oder dem günstigsten Standort gehen. Irgendwann am frühen Nachmittag treffen wir letztlich doch noch in Å ein. Der Ort hat aber außer seinem Namen und dem Freilichtmuseum, das derzeit noch geschlossen ist, nicht viel zu bieten. Ein paar Schritte gehen wir herum, dann steigen wir wieder ins Auto und fahren zurück bis ins wenige Kilometer nördlich gelegene Reine. Ich habe vorher den anderen vorgeschwärmt, wie toll das Essen in der „Gammelbua“ vor zwei Jahren war. Die Speisekarte hängt draußen vor der Tür und löst spontane Begeisterung aus. Leider hat das Restaurant erst ab dem Abend geöffnet, so daß wir uns überlegen müssen, wie wir die paar Stunden bis dahin sinnvoll nutzen. An der Tanke gibt’s erst mal eine nicht ganz so leckere Bockwurst zum Überbrücken. Und was jetzt?
Reine selbst ist bis auf ein, zwei Postkartenansichten (die wir natürlich „mitnehmen“), völlig unspektakulär und trägt bestenfalls für eine halbe Stunde. Mir fällt eine verlassene Fischersiedlung am Bunes-Strand an der Westküste ein, die vermutlich tolle Motive bietet und sich darüber hinaus auch leicht erwandern lassen soll. Nur muß man dazu erst einmal über den Reinefjord kommen. Das reguläre Wassertaxi haben wir gerade verpaßt, das nächste geht erst in sechs Stunden. Wenn wir’s vorher für eine Fahrt chartern wollten, kostet es mindestens 300 Euro pro Stunde, plus extra An- und Abfahrt. Zu teuer. Selbst für norwegische Verhältnisse. Da könnten wir uns genausogut ein gebrauchtes Schiff kaufen. Aber ich habe eine Idee. Wir fahren bei Svein Eliassen vorbei, dem die fotogenen Rorbuer in Hamnøy gehören, und ich frage ihn, ob wir ein Boot mit Motor für ein paar Stunden ausleihen können. Im Prinzip ja. Nur anlegen könnten wir an unserem Ziel nicht, weil der Wasserstand dafür derzeit zu niedrig ist.
Also muß Plan B her: Wie wäre es mit einer leichten Nachmittagswanderung nach Kvalvika? Das Wetter ist traumhaft, da könnten die vielgepriesenen „Strände von karibischer Schönheit“ doch vielleicht etwas her machen…
Alle sind einverstanden. Und wirklich: bei gutem Wetter ist diese Tour mehr als empfehlenswert. Die einzigen Hindernisse bilden einige sehr matschige Wiesen im unteren Streckenabschnitt und ein paar Geröllfelder weiter oben, die zum Teil noch schneebedeckt sind. Dabei muß man ziemlich aufpassen, um nicht in die Bergseen direkt unterhalb des Wanderpfades abzurutschen. Hier ist auch Teamgeist gefragt, denn Holger hat nur leichte flache Schuhe an – für dieses Gelände nicht gerade ideal. Aber er kommt trockenen Fußes durch. Sven geht direkt vor ihm und checkt den Boden ab, Andreas trägt Holgers Gepäck, und ich leihe ihm für die ganz blöden Passagen meine Wanderstöcke. Die Kvalvika-Bucht bietet einen traumhaften Anblick. Wir sind ganz allein hier. Das Abseilen und Klettern über die Klippen macht heute in der größeren Gruppe sogar Spaß. Nach einer kurzen Rast nehmen wir den Rückweg nach Marka in Angriff, wo unser Auto steht. Schließlich lockt das Abendessen in Reine.
Wieder zurück in der Gammelbua, bestellen wir uns erst mal ein kühles Bier. Das zischt weg wie nix! Die Kellnerin ist sehr nett, sie stammt aus Schweden und hat zusammen mit ihrem Mann im Dezember 2007 das Restaurant übernommen. Ihre lockere Art und ihre flapsigen Sprüche lassen mich darin das schwedische Pendant der Berliner Schnauze erkennen. Auch sonst ist alles wie in meiner alten Heimat. Die Bedienung ist echt auf Zack, das sind wir schon gar nicht mehr gewöhnt. Karlsruhe ist da eher die vielgeschmähte deutsche Servicewüste. Und das Essen ist klasse! Ich selbst nehme das Tagesmenü mit Königskrabbe auf hausgemachten Lasagneblättern, den Fang des Tages (gegrillten Heilbutt), mit grünem Spargel und Kartoffeln. Die anderen entscheiden sich für das Lofoten-Lamm, dessen Verzehr uns von diversen Leuten immer wieder empfohlen worden ist. Zusammen mit Vorspeise (Fischsuppe) und Dessert bekommen wir hier wieder ein königliches Mal aufgetan und sind dementsprechend auch des Lobes voll. So langsam merken wir nun aber doch die Anstrengungen des Tages, brechen auf und fahren mit nur wenigen Unterbrechungen zurück nach Svolvær.